Sie sind jung, hip und rechtsradikal. Die Anhänger der Neonazi-Gruppierung Junge Tat werden stetig mehr und bereiten den Sicherheitsbehörden zunehmend Sorgen.
Thomas* (22) aus dem Kanton St.Gallen gehört zum harten Kern. In der Freizeit stählt er seinen Körper, hört rechtsextremen Rap und posiert für Propagandavideos. Im neusten Clip trägt er eine grüne Sturmkappe mit einem weissen Pfeil, der zum Himmel zeigt: die Tyr-Rune, Erkennungszeichen der Jungen Tat, Symbol für Kampf und Sieg. Ideologisch besonders ausgebildete Offiziere Hitlers trugen die Rune als Abzeichen oberhalb der Hakenkreuz-Armbinde.
Neonazi mit Polizeiausbildung
Die Mitglieder der militanten Gruppe halten ihre Identität geheim. Doch die Polizei ist ihnen auf den Fersen, hat mehrere vorübergehend verhaftet. Ob die Sicherheitsbehörden auch Thomas auf dem Radar haben? Das sollten sie, denn der Rechtsextremist stammt aus ihren Reihen. Er dient bei der Militärpolizei und wird dort an der Waffe ausgebildet.
Aktuelle Fotos zeigen ihn in Uniform, wohl in der Rekrutenschule. Kürzlich wurde ihm dort beigebracht, wie man Tränengasgranaten verschiesst. Militärpolizisten sorgen für Ordnung und Sicherheit innerhalb der Armee. Sie können aber auch die Polizei unterstützen, etwa beim Schutz von hochrangigen Politikern oder bei der Sicherung von ausländischen Botschaften.
Ein Neonazi bei der Militärpolizei? Thomas reagierte nicht auf Anfragen, die Armee schweigt. «Aufgrund des Personendatenschutzes können wir Ihnen keine Auskunft zur genannten Person geben» sagt Sprecher Stefan Hofer.
Den Militärverantwortlichen sind im Kampf gegen Radikale oft die Hände gebunden. So können sie nur Personen aus der Armee ausschliessen, gegen die ein Strafverfahren läuft oder die bereits verurteilt wurden.
Extremes Gedankengut allein reicht höchstens für einen vorübergehenden Aufgebotsstopp oder den Entzug der Dienstwaffe. Zusätzlich kann die Armee radikalisierten Personen die Beförderung verweigern. Hofer: «Im Kader der Armee wird keine extremistische Geisteshaltung geduldet.»
Eine halbe Stelle für die Jagd nach Extremisten
Ist Thomas ein Einzelfall? Die interne Fachstelle Extremismus in der Armee hat im letzten Jahr 39 Meldungen bearbeitet. 19 davon betrafen Rechtsextremismus. Massnahmen wurden am Ende allerdings nur bei vier Personen getroffen.
Dass die Zuständigen alle potenziell gefährlichen Soldaten im Blick haben, ist unwahrscheinlich. Die Extremismus-Fachstelle – Schaltzentrale im Kampf gegen Radikale in der Armee – ist gerade mal mit einer halben Stelle ausgestattet.
Militärpolizist Thomas und seine Gesinnungskameraden der Jungen Tat verkörpern eine neue Generation von Neonazis in der Schweiz. Sie geben sich modern: Hipster-Frisuren, Markenklamotten, Turnschuhe. Und sie legen Wert auf einen gesunden Lebensstil, üben Kampfsport in Kellern, trainieren Fitness im Wald. Sie wollen parat sein – jederzeit.
Die Junge Tat hat es geschafft, den Rechtsextremismus wieder attraktiv für junge Menschen erscheinen zu lassen. Dabei setzen die Aktivisten auf professionell produzierte Propagandavideos, die sie online über Instagram und Telegram verbreiten.
In den sozialen Medien folgen der Gruppe 8000 Userinnen und User, darunter viele aus Deutschland und Osteuropa. Zufall ist das nicht: Die Strippenzieher der Jungen Tat pflegen enge Verbindungen zum internationalen Neonazi-Netzwerk Blood and Honour.
Nachwus-Neonazis stolz auf Verhaftungen
Die Polizei ist bereits wiederholt gegen die Nachwuchs-Neonazis vorgegangen, hat dabei sogar Waffen beschlagnahmt. Zuletzt verhafteten Beamte Anfang Jahr in Luzern und Zürich sechs Rechtsextreme aus dem Umfeld der Gruppe.
Wenige Stunden nach der Polizeiaktion liess die Junge Tat ihre Anhänger via Telegram wissen: «Die Repression seitens des Staatsapparates adelt unsere Mitstreiter. Wir machen weiter und stehen hinter den verhafteten Kameraden und Freunden!»
Anfang April verurteilte die Staatsanwaltschaft fünf der Festgenommenen wegen Rassendiskriminierung, Vergehen gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung. Zuständig für den Fall war der Zürcher Staatsanwalt Umberto Pajarola, Leiter der Abteilung organisierte Kriminalität.
Im Strafbefehl schrieb er, die Beschuldigten hätten «die Ideologie des Nationalsozialismus» verbreitet und «die Gruppen der Juden und diejenige dunkelhäutiger Menschen» diskriminiert, indem sie diese «in ihrer Menschenwürde krass herabsetzten und Hass gegen sie schürten».
Unter den Verurteilten ist auch ein 20-jähriger Winterthurer. Er agierte als Kopf der Neonazi-Zelle Eisenjugend, einer Vorläufer-Organisation der Jungen Tat. Im Internet fantasierte der ehemalige Kunststudent von einem globalen Rassenkrieg, zu Hause hortete er Waffen: ein Sturmgewehr, Karabiner und Pistolen.
Heute zieht der Winterthurer zusammen mit dem Militärpolizisten Thomas die Fäden bei der Jungen Tat.