Die Anti-Corona-Demonstranten sind ein bunter, hässiger Haufen. Hier marschieren Neonazis neben Esoterikern, Verschwörungstheoretiker neben selbst ernannten Wissenschaftlern. Selbstverständlich dicht an dicht. Man vereint sich im Dagegensein. Man motzt gegen den Feind. Auch wenn der nicht bei allen der Gleiche ist. Das Problem: Es wird nicht mehr nur protestiert. Die Stimmung wird aggressiver. Die Drohungen werden lauter. Aufrufe zu Anschlägen konkreter, wie der SonntagsBlick publik machte.
BLICK erklärt die Typen und was sie auf einen gemeinsamen Nenner bringt.
1. Die Esoteriker
Es sind Impfgegner, Heilpraktiker, Naturschützer und Anthroposophen, die man in der demonstrierenden Menge findet. Naturverbundene Menschen, die an die Selbstheilungskräfte des Körpers glauben. Alternative Medizin wird bei ihnen grossgeschrieben, während Schulmedizin eher abgelehnt wird, erklärt der Soziologe Robert Schäfer von der Uni Basel. Und das Impfen schon gleich mit. «Die Maske isoliert die Menschen voneinander» – ein typisches Argument dieser Gruppe. Sie fordern eine ganzheitlichere Sicht auf die Situation.
2. Die Neonazis
Vor allem in Deutschland sorgen organisierte Neonazis bei den Anti-Corona-Protesten immer wieder für Aufsehen. Zum Beispiel, als sich letzten November bei einer Querdenker-Demonstration die Neonazis den Weg durch die Polizeikette bahnten. Auch in der Schweiz denken Ultrarechte quer. Zuletzt schlugen Neonazis an der Corona-Demo in Liestal BL einem Journalisten ins Gesicht. Die Gruppe sei zwar klein, dafür oft besonders laut, erklärt Soziologe Robert Schäfer von der Uni Basel.
3. Die radikalen Demokraten
Für sie steht fest: Mit den Corona-Massnahmen geht der Staat zu weit. Die persönlichen Freiheitsrechte und die Demokratie seien gefährdet. Sie fordern Selbstbestimmung und Autonomie anstelle von Vorschriften und Zwang durch die Regierung. Masketragen, Abstandhalten und Impfen-Lassen – alles okay, aber nur, wenn es nicht «von oben» verordnet ist. Schäfer beschreibt ihre Selbstwahrnehmung als «heroische Widerstandskämpfer, die sich für die Demokratie aufopfern».
4. Die Verschwörungstheoretiker
Es ist das Q auf den Schildern, das ihre Anwesenheit verrät. Die QAnon-Anhänger glauben an eine geheime «Schattenregierung», die im Hintergrund die Welt beherrscht – und jetzt auch das Coronavirus verbreitet. Doch auch Impfgegner, die eine Chip-Invasion durch Bill Gates befürchten, und neuerdings auch «Flacherdler» finden sich unter den Demonstrierenden. Brigitte Frizzoni forscht an der Uni Zürich zu populären Kulturen. Sie zeigt sich wenig überrascht: «Krisen bieten den optimalen Nährboden für Verschwörungstheorien jeder Art.»
5. Die Hobbywissenschaftler
Diese Gruppe fiel Robert Schäfer bei seinen Untersuchungen besonders auf. Menschen, deren Leidenschaft die Wissenschaft ist. Sie informieren sich stundenlang im Netz, kennen sich aus ihrer Sicht gut aus. Und meinen, sie wüssten es besser und könnten es mit den professionellen Virologen aufnehmen. «Vor allem das Selbstbewusstsein, das sie an den Tag legen, ist enorm», so Schäfer.
6. Die Kinderschützer
Christine Hug, Präsidentin des Vereins Kinder atmen auf! sagt: «Wir dürfen die Pandemiepolitik nicht auf dem Rücken unserer Kinder austragen.» Der Verein engagiert sich gegen die Maskenpflicht von Kindern, denn diese sollen dem Kindeswohl schaden. Laut einer Studie der Uni Basel sehen rund 95 Prozent der befragten Corona-Kritiker die Kinder wegen der Massnahmen unzumutbaren Belastungen ausgesetzt – 85 Prozent halten Masken gar für «Kindesmissbrauch».
7. Die Corona-Müden
Und dann wären da noch die ganz normalen Bürger, die verunsichert und unzufrieden sind. Die Corona-Müdigkeit wächst zunehmend, das Vertrauen in die Politik sinkt. Diese Menschen bilden vor allem in der Schweiz den grössten Teil der Demonstranten, schätzt Robert Schäfer. Brigitte Frizzoni sieht auch die Angst und Hilflosigkeit der Menschen – gerade deshalb solle man die Demonstranten auch nicht pauschal verurteilen.
Der gemeinsame Nenner
Schäfer sieht den gemeinsamen Nenner im «Dagegensein»: «Es spielt keine Rolle, was man sonst noch so denkt, sondern nur dass man gemeinsam gegen die Corona-Massnahmen ist.» Dazu komme das allgemeine Misstrauen gegen die etablierten Autoritäten: Regierung, Medien und offizielle Wissenschaft.
Die Bewegung ruft zum Kritischsein auf. Ihre eigenen, alternativen Quellen hinterfragen die Kritiker jedoch nicht, so Schäfer. Denn: «Bei der Bewegung geht es letztendlich nicht um die Wahrheit, sondern um die Überzeugung.»
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