Hier rütteln Demonstranten an den Bundeshaus-Gittern
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Fünf Corona-Skeptiker, die immer schriller werden
So hetzen Rimoldi, Spiri, Rüegg & Co. auf Telegram

Vor der Radikalisierung auf der Strasse gab es eine Radikalisierung im digitalen Raum. Blick zeigt die immer schriller werdende Tonalität von fünf Corona-Skeptikern, die auf der Skeptiker-Plattform Telegram aktiv sind.
Publiziert: 18.09.2021 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2021 um 11:38 Uhr
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Robin Spiri wurde bekannt mit einem Telegram-Kanal, auf dem sich Fitnessstudios, Restaurants und sonstige KMU einfanden, die ihren Kunden versprechen, keine Gesundheitsdokumente zu verlangen.
Michael Sahli

Was am Donnerstag in Bern vor dem Bundeshaus eskalierte, köchelte schon lange vor sich hin. In den Filterblasen der Skeptiker-Plattform Telegram herrscht seit Monaten ein zunehmend rauer Ton. Und den Hetz-Aufrufen folgten immer öfter Taten.

Nach der Apfelschorle-Attacke auf die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44) bei der Zürcher Impfbus-Premiere musste die Polizei immer wieder wegen Störaktionen zu den mobilen Impfzentren ausrücken, nicht nur im Kanton Zürich. Vor zwei Wochen stürmten Corona-Skeptiker ins Thurgauer Kantonsspital in Frauenfeld TG. Und auch an den anfänglich betont friedlichen Demos der Massnahmengegner kam es immer wieder zu gewalttätigen Szenen. Die Radikalisierung einiger Teile der Bewegung lässt sich verfolgen – an den Aktionen und Aussagen ihrer Aushängeschilder.

«Bundeshaus war immer im Fokus der Skeptiker»
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Reporter zu Demo in Bern:«Bundeshaus war immer im Fokus der Skeptiker»

Robin Spiri, der Impfbus-Pöbler

Robin Spiri wurde bekannt mit einem Kanal, der innert kürzester Zeit über 22'000 Menschen erreichte. «Alle sind willkommen», eine Art Gelbe Seiten der Zertifikatsgegner. Unter dem freundlichen Slogan fanden sich Fitnessstudios, Restaurants und sonstige KMU, die ihren Kunden versprechen, keine Gesundheitsdokumente zu verlangen.

Dann kamen vom Ostschweizer plötzlich ganz andere Töne. «Beschützt eure Kinder», forderte er Anfang September dringlich. «Heute fährt der Impfbus beim Marktplatz Amriswil auf!» Und: «Kommt zahlreich.» Tatsächlich kam es dann zu Pöbelszenen vor Ort, bei denen auch ein Blick-Reporter angegangen wurde. Und kürzlich rief Spiri den russischen Botschafter auf, sich «sofort um die massive Unterdrückung der Opposition in der Schweiz» zu kümmern.

Nicolas A. Rimoldi, der Einpeitscher

Das Online-Magazin «Republik» hat der Radikalisierung vom Aushängeschild der Corona-Skeptikerbewegung «Massvoll» am Freitag einen langen Artikel gewidmet. Noch im Juli 2020 posierte Rimoldi auf dem Gruppenbild als Einziger mit (freiwilliger) Maske. Mittlerweile ist sein «Massvoll»-Chat auf Telegram gespickt mit Radikalem: Von «Volkstribunalen», wo Gegner wie etwa Politiker oder Journalisten gerichtet werden sollen, fantasieren die User. Und auch die Rhetorik von Rimoldi selber ist schrill: Die FDP habe sich «zum Faschismus bekannt», schrieb er als Reaktion auf das Bekenntnis der Partei zum Zertifikat. Und er forderte: «Mit dem Covid-Zertifikat gehört der Bundesrat vor Gericht und ins Gefängnis!» Nach Publikation des Artikels wetterte Rimoldi über «nicht freigegebene Zitate und Lügen».

500 Millionen nutzen Telegram

Telegram ist eine Messenger-App. Im Gegensatz zu Whatsapp kann man nicht nur Freunden oder Gruppen schreiben – sondern auch öffentliche Kanäle betreiben. Zudem ist die App kaum reglementiert. Das machen sich viele Corona-Skeptiker zu Nutze. Telegram wurde 2013 von den Brüdern Nikolai und Pawel Durow in Russland gegründet. Mittlerweile sitzt das Entwickler-Team in Dubai. Telegram hat rund 500 Mio. Nutzer weltweit – Ende 2022 will man eine Milliarde anpeilen. (bö)

Das Papierflugzeug ist das Logo von Telegram.

Telegram ist eine Messenger-App. Im Gegensatz zu Whatsapp kann man nicht nur Freunden oder Gruppen schreiben – sondern auch öffentliche Kanäle betreiben. Zudem ist die App kaum reglementiert. Das machen sich viele Corona-Skeptiker zu Nutze. Telegram wurde 2013 von den Brüdern Nikolai und Pawel Durow in Russland gegründet. Mittlerweile sitzt das Entwickler-Team in Dubai. Telegram hat rund 500 Mio. Nutzer weltweit – Ende 2022 will man eine Milliarde anpeilen. (bö)

Gabriel P.*, der Rebell

Auf dem Telegram-Kanal «Corona Rebellen Schweiz», wo sich über 10'000 Menschen mit alternativen Corona-Fakten eindecken, ging es vor etwas mehr als einer Woche plötzlich um etwas ganz anderes als Covid. «Polizei belagert Menschen», hiess es da neben dem Foto eines Polizeiverhandlers, veröffentlicht vom Administrator der Gruppe. Dazu der offene Aufruf, die Polizeiaktion zu stören: «Zeigen wir der Staatswillkür, dass wir zusammenhalten.» Und: «Einige sind bereits auf dem Weg.» Die Kapo Zürich bestätigt, dass zwei Menschen sich an jenem Tag in einem Fahrzeug mit gefälschten Nummernschildern einschlossen. Dem Telegram-Aufruf zur Störung der Polizeiaktion ist offenbar niemand gefolgt.

Es ist nicht der erste Auswuchs des Corona-Rebellenkanals: Im Sommer bezeichnete Kanal-Aushängeschild Gabriel P.*, ein ehemaliger Fitnessunternehmer aus dem Mittelland, die Schweiz als «Firma». Eine These, die unter Reichsbürgern beliebt ist.

Chrigi Rüegg, der bissige Hundetrainer

Hundetrainer Chrigi Rüegg trat früh in der Corona-Krise mit seinen Videos in Erscheinung. Zuerst mit regelmässigen Mini-Demos in der Stadt Zürich, die von der Polizei oft im Keim erstickt wurden.

Immer wieder ist der Mann aus dem Kanton Zürich aber auch in Gewalt verwickelt: Er lieferte sich tätliche Auseinandersetzungen mit Bahnhof-Sicherheitspersonal am Zürcher HB, im Mai war er im Zentrum einer gelungenen Gefangenenbefreiung mit massiven Angriffen auf die Polizei in Aarau (Blick berichtete).

Auch bei der jüngsten Eskalation in Bern war er in eine Auseinandersetzung involviert, diesmal in der Kutte der Freiheitstrychler. Jene Freiheitstrychler, in deren Hemd Bundesrat Ueli Maurer jüngst posierte. Auf Telegram fordert Rüegg mittlerweile die «Höchststrafe» für Alain Berset.

«Bundeshaus war immer im Fokus der Skeptiker»
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Reporter zu Demo in Bern:«Bundeshaus war immer im Fokus der Skeptiker»

Shipi, der Judenhasser

Der Mann, der sich selber Shipi nennt, sprach anfänglich vor allem Ausländer mit Corona-Skeptiker-Inhalten an. Ein Video in dem er «Albaner, Türken, Araber und Dunkelhäutige» zur Teilnahme an den Demos aufruft, wurde im Frühling von grossen Medien aufgenommen.

Es gab aber auch eine andere Seite: In wirren Telegram-Posts publizierte Shipi antisemitische Verschwörungstheorien. «Wenn man Hitlers Auftraggeber kennt, weiss man, dass Juden Juden töten liessen», heisst es da. Bei anderer Gelegenheit publizierte er Fotos aus der Tiefgarage eines Einkaufszentrums. Zu sehen: der Provokateur mit zwei Kindern, von deren T-Shirts unübersehbar Anti-Impf-Propaganda prangt. Text zur Telegram-Veröffentlichung: «So macht es Spass Leute, wenn die Schafe einen blöd angucken!»

* Name von der Redaktion geändert

«Angriffe waren massiv»
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Polizei zu Eskalation in Bern:«Angriffe waren massiv»
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