Es sollte ein friedlicher Anlass werden. Am Samstag reiste die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44) nach Gossau ins Zürcher Oberland, um einen Impfbus des Kantons einzuweihen. Die Dorfmusik spielte, es gab Bratwürste.
Doch auf dem Platz versammelten sich auch gut zwei Dutzend Impfgegner. Während der Feier geht einer von ihnen auf die SVP-Regierungsrätin zu, überschüttet sie mit Apfelschorle und rennt davon. Die Polizei kann den Mann einfangen und befragt ihn später. Ob Natalie Rickli den Angreifer anzeigt, ist nicht bekannt. Sie will sich vorerst nicht weiter zum Vorfall äussern.
St. Galler Damann mit E-Mails zugedeckt
Die Corona-Skeptiker scheinen sich zunehmend zu radikalisieren. Ebenfalls am Samstag schlug einer von ihnen an einer Demonstration in Olten einem Gegendemonstranten von hinten eine Flasche über den Kopf.
Besonders übel beschimpft werden die Gesundheitsdirektoren, die für die Corona-Massnahmen in den Kantonen zuständig sind. «E-Mails bekommen wir sehr viele», sagt der St. Galler Gesundheitsdirektor Bruno Damann (64, Die Mitte). Übers Wochenende haben sie bei ihm aber nochmals stark zugenommen.
Der Grund: Die St. Galler Behörden hatten am Freitag verkündet, eine Ausweitung der Zertifikatspflicht auf Restaurants und Spitäler zu prüfen. «Einige Mails sind unter der Gürtellinie», sagt Damann.
Ton verschärft sich
Auch der Urner Gesundheitsdirektor Christian Arnold (44, SVP) sagt, die Menschen seien beim Thema Corona sensibler und emotionaler. Das gelte aber nicht nur für die Skeptiker: «Ich stelle das auch bei jenen fest, die zum Beispiel geimpft sind und langsam die ‹Geduld› gegenüber den Skeptikern verlieren.» Tätliche Angriffe oder Drohungen hat er bisher nicht erlebt.
Ähnlich geht es der Nidwaldner Gesundheitsdirektorin Michèle Blöchliger (SVP). Sie sagt: «Ich wurde bisher weder tätlich angegriffen noch beworfen. Beschimpfungen gab es aber sowohl mündlich wie schriftlich.»
Bündner Peyer plädiert für Anzeigen
Null Verständnis für die Corona-Angriffe hat der Bündner Gesundheitsdirektor Peter Peyer (55). Er sagt: «Verbale und körperliche Übergriffe sind in jedem Fall inakzeptabel. Falls es sich nicht sowieso um Offizialdelikte handelt, sollen sie konsequent zur Anzeige gebracht werden.»
Auch der Umgang im Internet beunruhigt den SP-Politiker: «Die Tonalität, insbesondere in sozialen Medien, ist teilweise abscheulich.» Hoffnung, dass sich diese bald bessert, hat er – in Anspielung auf die Rhetorik der SVP – allerdings nicht: «Da auch Exponenten von Bundesratsparteien politisch Andersdenkende als Schmarotzer und Parasiten titulieren, wird der Zerfall der anständigen politischen Diskussions- und Streitkultur ungebremst weitergehen.»