Papst Franziskus (86) will den Finanzsumpf im Vatikan trockenlegen. Korruption sei eine «stets wiederkehrende Geschichte», sagte das Kirchenoberhaupt vor Jahren. «Korruption wiederholt sich. Es kommt jemand, der durchputzt und Ordnung schafft, aber dann geht es von vorne los.»
Durchputzen, Ordnung schaffen: Das soll auch ein Mammut-Prozess, der 2021 begann und bis Weihnachten abgeschlossen sein soll.
Diese Woche gab die Vatikan-Staatsanwaltschaft bekannt, welches Strafmass sie für die zehn Angeklagten fordert: insgesamt 73 Jahre und einen Monat Haft.
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Die ehemalige Nummer drei ist angeklagt
Die schillerndste Figur auf der Anklagebank ist Kardinal Angelo Becciu (75), die einstige Nummer drei im Vatikan. Dem aus Sardinien stammenden Kardinal wird schon länger Vetternwirtschaft vorgeworfen.
Als Botschaftsgebäude des Vatikans in Ägypten und auf Kuba neue Fenster brauchten, soll der Auftrag an die Schreinerei von Beccius Bruder Francesco gegangen sein. Und eine Verwandte des sardischen Kardinals war als Geheimagentin unterwegs.
Das Vatikan-Geld soll sie, wie die italienische Presse genüsslich ausschlachtete, auch in teure Handtaschen investiert haben.
Derlei klerikale Vetternwirtschaft ist jedoch Kleinkram im Vergleich zum Londoner Immobilien-Deal, bei dem sich der Vatikan verzockt hat.
Schlecht investiert, CS involviert
Geplant war, ein 17 000-Quadratmeter-Gebäude zu renovieren, 49 Luxusapartments zu schaffen und mit sattem Gewinn zu verkaufen. Am Ende machte der Vatikan 139 bis 189 Millionen Euro Verlust. Besonders empörend: Spendengelder von Katholikinnen und Katholiken aus aller Welt sollen veruntreut worden sein.
Wer profitierte von der Misswirtschaft? Welche Kontrollmechanismen haben versagt? Die Gelder für den London-Deal flossen teilweise über Konten der Credit Suisse und die Bank BSI in Lugano TI.
Die BSI gibt es nicht mehr, 2016 beschloss die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma), die Bank aufzulösen. Der Grund: Geldwäsche. Ausser Kardinal Becciu sitzen neun weitere Menschen auf der Anklagebank, davon drei mit Schweiz-Bezug.
René Brülhart (51): Der Schweizer Jurist machte sich in Liechtenstein als «James Bond der Finanzmärkte» einen Namen: Acht Jahre lang leitete er dort die Financial Intelligence Unit und deckte als Anti-Geldwäsche-Experte 2006 den Siemens-Korruptionsskandal mit auf.
2012 wechselte er nach Rom: erst als Direktor, dann als Präsident der vatikanischen Finanzaufsicht. 2019 gab es eine Razzia, bei der Brülharts Direktor suspendiert wurde. Der Schweizer trat aus Protest zurück. Die Staatsanwaltschaft wirft Brülhart Amtsmissbrauch vor. Sie fordert drei Jahre und acht Monate Haft, ein vorübergehendes Berufsverbot und 10 329 Euro Geldstrafe.
Brülharts Anwalt zu SonntagsBlick: «Der Prozess hat gezeigt, dass die Anklage gegen René Brülhart unbegründet ist. Ich vertraue auf die Arbeit des Gerichts zur Klärung der Unschuld meines Mandanten.»
Enrico Crasso (76): Der italienisch-schweizerische Doppelbürger war über Jahre hinweg einer der wichtigsten Partner des Kirchenstaats bei Finanzgeschäften. «Ich habe für den Vatikan viel Geld verdient», sagte der ehemalige CS-Banker 2021 der «Zeit». Die Vatikan-Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Korruption vor; sie fordert neun Jahre und neun Monate Haft, ein Berufsverbot und eine Geldstrafe von 18 000 Euro.
Crasso beteuerte in der «Zeit» seine Unschuld: «Eine Provision ist kein Verbrechen. Wenn ich das Vermögen für jemanden verwalte, kann ich Absprachen mit anderen Vermögensverwaltern treffen und Geld bei denen anlegen. Dafür erhalte ich eine Vergütung. In der Schweiz ist das legal. In Italien nicht.»
Crasso bekräftigt gegenüber SonntagsBlick die Hoffnung, das Gericht werde ihm recht geben.
Raffaele Mincione (58): Der Fondsmanager spielte beim Londoner Immobilienkauf eine zentrale Rolle. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Veruntreuung vor und fordert elf Jahre und fünf Monate Haft, ein Berufsverbot sowie eine Geldstrafe von 15 450 Euro.
Mincione ist laut Moneyhouse in Celerina GR gemeldet und arbeitet in London. 2021 bestätigte das Bundesstrafgericht eine Sperrung von Schweizer Konten, auf denen fast 60 Millionen Franken liegen sollen.
Minciones Anwalt: «Der Prozess hat gezeigt, dass die Anschuldigungen unbegründet sind. Wir werden in unseren Plädoyers auf die Mängel der Anklage hinweisen.»
Gefängnis mit nur zwei Zellen
Im November ist die Verteidigung dran, ein Urteil soll noch in diesem Jahr ergehen. Mit langen Gefängnisstrafen rechnet niemand, ohnehin hat die Haftanstalt des Vatikans nur zwei Zellen.
Dass der Bankenplatz Schweiz für den Kirchenstaat eine zentrale Rolle spielte, kommt nicht von ungefähr: Wie der italienische Journalist Fabrizio Massaro in einem Buch über die Finanzen des Papstes schreibt, setzte der Kirchenstaat seit 1929 stark auf die Schweiz. Lugano, Genf und Zürich galten im Vatikan als sicherer Finanzhafen. Diese Einschätzung ist mittlerweile selbst im Vatikan Geschichte.
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