Experte macht deutlich:
«Bei der Krankentaggeldversicherung hat die Schweiz Aufholbedarf»

Das Schweizer Arbeitsrecht besagt: Die Krankentaggeldversicherung ist nicht obligatorisch. Fachanwalt Samuel Sauter erläutert die Risiken und Vorteile. Denn der Fall Lejla S. macht die Konsequenzen bei Nichteinhaltung vertraglicher Vereinbarungen deutllich.
Publiziert: 00:01 Uhr
Samuel Sauter (40) ist Dozent und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er sagt, dass die Schweiz beim Sozialschutz im Arbeitsrecht teilweise Aufholbedarf hätte.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Krankentaggeldversicherung ist für Arbeitgeber nicht obligatorisch, aber üblich und vorteilhaft
  • Arbeitgeber können Kostenrisiken outsourcen und Arbeitnehmer mit Sozialleistungen gewinnen
  • Lohnfortzahlungspflicht variiert je nach Kanton, Zürcher Skala verpflichtet zu acht Wochen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sebastian BabicReporter Blick

Es mag viele überraschen. Aber eine Krankentaggeldversicherung ist für Arbeitgeber in der Schweiz nicht obligatorisch. Diese kommt jeweils zum Tragen, wenn ein Arbeitnehmer über längere Zeit krankheitsbedingt ausfällt. Sie schützt einerseits den Arbeitgeber vor Lohnforderungen während einer Krankheit und sichert dem Arbeitnehmer im Gegenzug – üblicherweise über 720 Tage – einen grossen Teil seines Lohns zu.

Samuel Sauter, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Kalbermatter.law, ist Dozent für Arbeitsrecht und kennt die Problematik aus dem Effeff: «Das Schweizer Arbeitsrecht ist historisch gesehen ziemlich liberal und hat beim Sozialschutz zum Teil Aufholbedarf.»

Vorteile auf beiden Seiten

Im Gegensatz zum Unfallschutz ist die Krankentaggeldversicherung nämlich nicht obligatorisch. Sie gehöre aber mittlerweile zum «courant normal», insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels und bei grösseren Betrieben.

«Ein Arbeitgeber kann durch solch eine Versicherung Kostenrisiken outsourcen und Arbeitnehmer mit Sozialleistungen für sich gewinnen. Die Versicherung übernimmt nicht nur die Zahlungen, sondern auch den administrativen Aufwand», sagt Sauter.

Sollte sich ein Arbeitgeber entscheiden, keine derartige Versicherung abzuschliessen, hafte dieser gemäss der gesetzlichen Regelung für den Lohn des Angestellten. Je nach Kanton variiert die Lohnfortzahlungspflicht.

Verschiedene Skalen regeln die Sache

In der Praxis werden dann drei verschiedene Modelle angewendet: die Berner Skala, die Basler Skala und die Zürcher Skala. Letztere verpflichtet den Arbeitgeber zu Lohnfortzahlungen für acht Wochen. Danach bestehe aber kein Schutz mehr. Man könne sich aber privat versichern.

Im konkreten Fall von Lejla S. bestand aber ein vertraglich geregelter Versicherungsschutz. Die Kita Abenteuerland zahlte diesen aber nicht ein. Dadurch hafte der Arbeitgeber für die Lohnfortzahlungen im Rahmen der vereinbarten Vertragsbedingungen, wie Sauter erläutert. Die beiden Urteile des Bezirksgerichts Dielsdorf und des Obergerichts Zürich bestätigen dies klar.

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