Liegt im Frühling viel Schnee, sind die Gletscher für den Sommer besser gerüstet. Die Eisschicht geniesst somit einen grösseren Schutz, zudem wird im Verlauf der Zeit mehr Schnee zu Gletschereis verdichtet. Das Schweizerische Gletschermessnetz (Glamos), ein gemeinsames Projekt von der ETH Zürich sowie den Universitäten Freiburg und Zürich, führt seit einigen Jahren jeweils Messungen der Schneebedeckung und des sogenannten Schneewasseräquivalents auf Schweizer Gletschern durch. Das Schneewasseräquivalent bezeichnet die Menge an Wasser, die in Form von Schnee gespeichert ist.
Glamos-Leiter Matthias Huss (44) von der ETH Zürich freute sich am Donnerstag auf X: «Eine der besten Wintersaisons aller Zeiten für die Schweizer Gletscher! 31 Prozent mehr Schnee als üblich.» Das seien «gute Nachrichten für den kommenden Sommer», ergänzt er.
Dickste Schneedecke seit 110 Jahren
Mit «eine der besten Wintersaisons aller Zeiten» meint Huss: seit Messbeginn. Im Fall des Claridenfirns im Kanton Glarus etwa ist dies bereits 110 Jahre her, wie der Glaziologe gegenüber der «Aargauer Zeitung» erklärt. Das sei so lange wie sonst nirgends weltweit. «Hier verzeichneten wir den höchsten je gemessenen Wert», erklärt der Wissenschaftler. Allerdings sei nicht einfach einzuschätzen, wie exakt die sehr alten Messungen seien.
Auch auf dem Ghiacciaio del Basòdino im Tessin stellte das Team von Huss eine Rekordmenge an Schnee fest. Dort werden seit 1991 Messungen durchgeführt. Noch nie war der Gletscher seither so gut zugedeckt wie in der Saison 2023/2024.
Rekordwerte bei einem Drittel
Glamos vermisst die Schneedecke jeweils auf 14 Gletschern. «Rekordwerte seit Beginn der Messungen wurden auf einem Drittel der Gletscher festgestellt», schreibt das Gletschermessnetz in einer Mitteilung. «Für alle Schweizer Gletscher ergibt sich ein Überschuss von 31 Prozent mehr Winterschnee im Vergleich zum Zeitraum 2010 bis 2020.»
Die Ergebnisse der Messungen im April und Mai 2024 zeigen gemäss Glamos eine stark überdurchschnittliche Schneebedeckung der Schweizer Gletscher mit mittleren Schneehöhen zwischen drei bis sechs Metern in allen Teilen des Landes. Angesichts des überdurchschnittlich warmen Winters ist das ein überraschendes Resultat. In der Höhe auf 3000 Metern waren die Temperaturen aber trotzdem tief genug, damit die Niederschläge in Form von Schnee anfielen, wie Huss erklärt. Weil es ein sehr niederschlagsreicher Winter gewesen sei, habe man jetzt diese hohen Werte.
In erster Linie Temperatur im Sommer massgebend
In den heissen Sommern 2022 und 2023 verloren die Schweizer Gletscher nach zwei trockenen Wintern zehn Prozent ihres Volumens. Können sie dank des niederschlagsreichen Winters 2023/2024 jetzt wieder ansetzen?
Der Wetterdienst Meteo News geht immerhin davon aus, «dass der Massenverlust in diesem Jahr geringer ausfallen dürfte als noch in den beiden Vorjahren». Letztendlich hängt das Schicksal der Schweizer Gletscher aber in erster Linie von der Temperatur im Sommer ab. Für Huss wäre schon ein geringerer Eisverlust als üblicherweise «eine erfreuliche Nachricht». Angesichts des Klimawandels sieht es für die Schweizer Gletscher längerfristig trotzdem düster aus.