Seit Beginn der Festtage gelten in der Schweiz noch die vom Bundesrat am 22. Dezember beschlossenen Corona-Massnahmen. Trotz Warnungen von Virologen seither, dass Massnahmen infolge hoher Fallzahlen und einer Reihe von Risiken verschärft gehören, hat Bern die Massnahmen auch zum Jahresausklang weder verschärft noch gelockert.
Seit Beginn der Feiertage befindet sich die Schweiz praktisch im Blindflug bezüglich verlässlicher Corona-Daten. Aktuelle Fallzahlen bleiben seit Tagen aus. Die aktuellsten Zahlen vom 31. Dezember weisen 4391 Neuinfektionen und 77 Tote auf, bei einer Positivitätsrate von 14,3 Prozent. Doch diese Zahlen gelten keinesfalls als repräsentativ.
Viele Testcenter waren in diesen Tag geschlossen. Auch wird die Testbereitschaft von Personen, die Symptome aufweisen und sich möglicherweise mit dem Coronavirus infiziert haben, über die Festtage geringer gewesen sein als in normalen Tagen.
Bundesrat vor heiklen Entscheidungen
Wenn sich der Bundesrat am 6. Januar zu seiner ersten Sitzung des Jahres trifft, werden die Zahlen wieder aussagekräftiger sein. Doch die Landesregierung wird sich auf weniger gesicherte Zahlen als üblich abstützen müssen, um mögliche Entscheidungen zu fällen. Wie viele Menschen sich während der Festtage infiziert haben, wird sich erst nach und nach herausstellen.
Die Taskforce des Bundes spricht zudem von einer «hohen Dunkelziffer an Fällen». Die tatsächlichen Neuinfektionen dürften die täglich gemeldeten rund 4000 Fälle «deutlich» übersteigen, heisst es. Die Taskforce hat in ihrer abschliessenden Lagebeurteilung des Jahres «flächendeckende, wirksame Massnahmen» gefordert, um «damit die Notwendigkeit von noch viel strengeren Massnahmen zu verhindern».
Die Schweiz habe sich in der Covid-19-Pandemie «in eine prekäre Lage manövriert», befindet der ETH-Ökonom Hans Gersbach. Das Ende der Pandemie sei «zu früh eingeläutet» worden. Inzwischen habe das Land «die Balance zwischen gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Massnahmen verloren». Grosse Hoffnungen werden in Impfungen gesetzt. Komme die Schweiz «mit der Impfung der Bevölkerung so schnell als möglich voran, wird auch die wirtschaftliche Erholung nicht mehr weit sein», so Gersbach. Am Montag, dem 4. Januar, beginnt in vielen Kantonen die Impfkampagne, doch der sichere Schutz erfordert zwei Impfdosen und bis diese Mittel im grösseren Stil schützen, werden erst noch Monate verstreichen müssen.
Pendler
Grosser Handlungsspielraum hat der Bundesrat am Mittwoch nicht. So beginnt auch der Pendlerverkehr in diesem neuen Jahr der Hoffnung so, wie das alte Corona-Jahr geendet hat. Länder wie Frankreich, Italien und Spanien hatten diesbezüglich harte Massnahmen ergriffen.
Frankreichs «Confinement» (Eindämmung) während des Lockdowns gab vor, nur aus triftigem Grund nach draussen gehen zu dürfen. Dazu zählten auch kurze Spazier- und Gassigänge sowie der Einkauf existentieller Dinge wie Lebensmittel oder Medikamente. Dafür gabs am Tag maximal eine Stunde im Umkreis von einem Kilometer.
Wer in Frankreich seine Arbeit nicht von zu Hause aus erledigen konnte, musste einen Passierschein ausfüllen.
Schulen
Auch der Schulbetrieb soll in der Schweiz vorerst so normal wie möglich weitergehen. Nur die Kantone Nidwalden und Solothurn haben die Schulferien um drei Tage bis 6. Januar verlängert. In mehreren Kantonen gilt in der ersten Schulwoche zudem Fernunterricht an den Kantonsschulen und Berufsfachschulen.
In Deutschland, Österreich und Grossbritannien bleiben Schulen länger geschlossen – in Deutschland vorerst bis 10. Januar. In London bleiben sämtliche Grundschulen in den nächsten zwei Wochen geschlossen. Die Behörden wollen damit verhindern, dass Kinder während der Ferien erfolgte und nicht erkannte Ansteckungen im Klassenzimmer weitergeben.
Grenzen
Als Reaktion auf die erste Covid-19-Welle im Frühjahr waren in Europa massive Mobilitätseinschränkungen verhängt worden. Die zweite Welle brachte selektivere Reiseverbote. So verhängte die Schweiz am 21. Dezember ein Einreiseverbot und rückwirkende Quarantäne für Personen aus Grossbritannien und Südafrika, wo sich eine hochaggressive Virusmutationen ausbreitet.
Von der Brachialmassnahme strikter umfassender Grenzkontrollen, wie diese von einigen asiatischen Ländern sowie Australien und Neuseeland durchgeführt werden, wollen europäische Regierungen gegenwärtig nichts wissen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) warnte beim Ausbruch der zweiten Welle vor erneuten Grenzschliessungen. Es sei «wichtig, dass die Grenzen offen bleiben, dass es einen funktionierenden Wirtschaftskreislauf gibt und dass wir gemeinsam die Pandemie bekämpfen», so Merkel bei einem EU-Videogipfel Ende Oktober.
Erschwerte Reiseauflagen wie Quarantänepflicht wirken in der Schweiz bereits wie Grenzkontrollen. Ansonsten bleibt der Reiseverkehr über die Landesgrenzen praktisch uneingeschränkt. Auch ausländische Pendler, die vorwiegend in den Grossräumen Basel, Genf, Tessin und Zürich täglich zur Arbeit fahren, sind auch von ihren eigenen Regierungen derzeit mit keinerlei Einschränkungen belegt.
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