Oliver Heer (36) ist Profi-Segler. Und er hat einen Traum: Der St. Galler will als erster Deutschschweizer an der Vendée Globe teilnehmen, der anspruchsvollsten Segelregatta der Welt – dafür muss er aber zuerst das aktuelle Transatlantik-Rennen beenden. Das gehört zu den Qualifikationsbedingungen.
Am 28. April starteten 33 Seglerinnen und Segler die Transat CIC, eine prestigeträchtige Wettfahrt für Einhandsegler. Das Rennen begann an der französischen Küste, führte quer über den Atlantik und endete nach 6482 Kilometern in New York. 24 Teilnehmer sind bereits im Ziel – sieben haben aufgegeben. Heer und die Französin Clarisse Crémer (34) sind als Einzige noch unterwegs.
Allein auf hoher See
Ganz allein mitten im Atlantik, noch ein Liter Trinkwasser, kein Strom: Was für viele wie ein Albtraum klingt, war für Heer in den letzten Tagen Wirklichkeit. Seine Frau Theresa Heer sagt: «Sein Rennen begann gut, doch in den frühen Morgenstunden des sechsten Tags versagte sein Autopilot während eines Sturms. Dies führte dazu, dass sich das Boot seitlich zu den Wellen drehte und umkippte.»
Durch den Sturm wurden die Segel beschädigt. Und – noch schlimmer: Es gab einen Stromausfall, sodass weder der Autopilot noch die Trinkwasserversorgung funktionierten. Folglich musste Heer sich auf gedruckte Karten, traditionelle Navigationstechniken und alte Wetterdaten verlassen. Da er sämtliche Kommunikationssysteme an Bord verloren hatte, blieb ihm nur noch das Satellitentelefon, was die Kommunikation mit seinem Team erschwerte. Der Empfang war lückenhaft.
Nach 24 Stunden gelingt es Heer, eine provisorische Lösung zu finden: Mit Solarzellen kann er das Boot tagsüber mit Strom versorgen und Wasser schöpfen. Die Navigation funktioniert, doch steuern muss Heer von Hand – Tag und Nacht.
Da er nachts keinen Strom für die Positionslichter hat, ist er für vorbeifahrende Schiffe unsichtbar. Das heisst, er muss wach bleiben und Ausschau halten. Einschlafen wäre lebensgefährlich.
«Der schlimmste Geburtstag»
Gestern wurde Heer 36 Jahre alt – allein auf dem Atlantik. Geburtstagskarten und kleine Geschenke von Freunden und Familie hat er zwar an Bord, in einem kurzen Video gesteht er aber: «Das ist der schlimmste Geburtstag.» Wäre alles nach Plan verlaufen, hätte er gestern sein Ziel erreicht.
Trotz aller Widerstände ist Aufgeben für Heer keine Option. Er hat darüber auch mit Wolfgang Jenewein gesprochen, seinem Mental Coach. Der habe ihm auf den Weg gegeben: «Embrace this shit.» Heer habe den Spruch mit Filzstift an die Wand der Kajüte geschrieben, um Motivation und Kraft zu schöpfen: Du musst die Scheisse akzeptieren lernen!
Denn Aufgeben kommt für den Segler nicht in Frage: Heer ist bereit, bis New York zu segeln. Sein Team glaubt, dass er in etwa sechs bis acht Tagen am Ziel sein werde. Seine Frau sagt: «Kein anderer Deutschschweizer war bisher so nah dran, an der Vendée Globe zu starten, und es würde Ollie sehr viel bedeuten, die Unterstützung seines Heimatlandes zu haben.»
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