Drogen, Gewalt, Prostitution
Balkan-Rocker Goran S. operierte aus der Schweiz

Der Serbe Goran S. war Mitglied in einer der berüchtigtsten Strassengangs Europas, jetzt steht er vor Gericht. Der Fall bietet einen seltenen Einblick in die organisierte Kriminalität.
Publiziert: 12.04.2024 um 10:54 Uhr
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Aktualisiert: 12.04.2024 um 11:27 Uhr
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Die United Tribuns stecken im Sumpf der organisierten Kriminalität.
Foto: picture alliance / dpa
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Die United Tribuns gehörten zu den mächtigsten Gruppierungen im Rockermilieu. Ihr Netzwerk reichte von Schweden bis nach Italien, von der Türkei bis in die Schweiz. Die Mitglieder – hauptsächlich balkanstämmige Kampfsportler und Türsteher – steckten tief im Sumpf der organisierten Kriminalität. Sie lieferten sich blutige Auseinandersetzungen mit verfeindeten Gruppen, verkauften Drogen und agierten als Zuhälter.

Vor etwas mehr als einem Jahr holte der deutsche Staat zum grossen Schlag gegen die Bande aus: Elitepolizisten stürmten 50 Stützpunkte der Tribuns, das Innenministerium liess die Gruppe landesweit verbieten. Goran S.* (35) sass zu diesem Zeitpunkt bereits 236 Tage im Gefängnis. Der Serbe aus dem Kanton Schaffhausen war festes Mitglied der United Tribuns. Laut den Ermittlern hat er Sprengstoff für Anschläge beschafft, mit Kokain gedealt und eine mittellose Ungarin zur Prostitution gezwungen.

Rocker wollten Auto in die Luft sprengen

In einer Woche muss sich der Balkan-Rocker vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona TI verantworten. Blick liegt die Anklageschrift vor. Sie bietet einen seltenen Einblick in die brutalen Praktiken der United Tribuns. Die Gruppe ist bis heute aktiv, vor allem in Bosnien.

Die kriminelle Karriere von S. begann im Jahr 2015. Damals beschaffte er in Frankreich Sprengstoff, den er erst in einer Garage in Schaffhausen lagerte und später an Mitglieder der United Tribuns in Süddeutschland übergab. Diese planten damit laut der Bundesanwaltschaft, das Auto eines verfeindeten Diskotheken-Besitzers in die Luft zu sprengen. Das Motto der Tribuns: «Gott bewahre uns vor unseren Freunden, denn mit unseren Feinden kommen wir selber klar.»

Ungarin musste sich prostituieren

Ab 2019 soll S. zusammen mit einer Komplizin eine mittellose Ungarin zur Prostitution gezwungen haben. Die Frau, die kein Deutsch verstand und in ihrem Heimatland in einer zugemüllten Wohnung ohne Strom und Wasser wohnte, musste im Kanton Zürich Freier bedienen. Gemäss Anklageschrift hat der Balkan-Rocker sie dabei überwacht und Ort, Zeit sowie Ausmass bestimmt. Die Einnahmen sackten S. und seine Komplizin teils gleich selber ein.

Die beiden verlangten von der Ungarin, dass sie keine Kunden ablehnte und während ihrer Menstruation trotz Schmerzen und Krämpfen weiterhin als Prostituierte arbeitete. Sie musste sich laut den Ermittlern zwei Schwämme in die Vagina einführen, damit die Kunden von den Blutungen nichts mitbekommen. S. drohte ihr mit Schlägen, falls sie nicht gehorchte.

Escortfahrten trotz Arbeitsunfähigkeit

Bestraft werden soll der Balkan-Rocker auch wegen des Besitzes von Gewaltdarstellungen, Pornografie und weil er unrechtmässig Sozialleistungen bezog. Obwohl er aufgrund eines Unfalls angeblich vollständig arbeitsunfähig war, kassierte er im Milieu ab, unter anderem als Chauffeur von Escortfahrten. Der Unfallversicherung Suva verschwieg er das.

Weder der Anwalt von S. noch er selbst wollten sich gegenüber Blick äussern. Die Bundesanwaltschaft sagt noch nichts zu den Strafen, die sie beantragt. Der Serbe befindet sich zurzeit in Freiheit – das könnte sich aber bald ändern.

*Name geändert

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