Als vergangenen Februar Bomben auf Kiew fielen, suchte eine Gruppe Künstler an dem Ort Schutz, wo zu Friedenszeiten ihre Werke ausgestellt sind: in der Voloshyn Galerie. Sie befindet sich im Keller eines historischen Gebäudes im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt. «Die Räumlichkeiten haben bereits im Zweiten Weltkrieg als Bunker gedient», schreibt Max Voloshyn in einem E-Mail. Er und seine Frau Julia führen die Galerie zu zweit und steckten seit Beginn des Ukraine-Kriegs in Miami, Florida, fest, wo sie sich aus beruflichen Gründen befanden. Diese Woche führt sie ihr Weg nach Basel.
Die Stadt ist dank der Art-Basel-Messe eine Woche lang das internationale Zentrum für zeitgenössische Kunst. In Basel trifft sich eine Branche, die gemäss «Art Market Report» vergangenes Jahr 65,1 Milliarden US-Dollar umsetzte. Wie reagiert diese Welt auf die Tatsache, dass nicht weit weg ein erbitterter Krieg tobt?
«Der Krieg in der Ukraine beunruhigt uns zutiefst», sagt Maria Marques, Mediensprecherin der Art Basel. Die Messe spendet dieses Jahr 110'000 Franken an Organisationen, die Opfer des Kriegs unterstützen. Zudem ist sie an einem Projekt beteiligt, für das elf riesige Fotografien des ukrainischen Künstlers Boris Mikhailov (83) an Gebäuden in Basel aufgehängt werden – einige davon an einer Messehalle, ein anderes im Rathaus. Mikhailovs Werk setzte sich mit dem Niedergang der Sowjetunion und der Wiedergeburt einer unabhängigen Ukraine auseinander. Seine Fotos kann man als eine Art düstere Vorahnung betrachten.
Der Einfluss russischer Sammler sei gering
«Wir sind uns bewusst, dass die Mehrheit der Menschen, die in der russischen Kunstszene aktiv sind, vehement gegen das derzeitige Regime in Russland und auch gegen die Invasion ist», sagt Marques. Deshalb habe man die Galerien auch nicht gebeten, keine russischen Künstler auszustellen. Was die direkten Auswirkungen der Sanktionen auf Käufe an der Art angeht, so erwartet Marques nicht viel. Die Art Basel habe keine russischen oder ukrainischen Galerien in der Ausstellung, und der Einfluss russischer Sammler auf den Markt sei seit langem relativ gering.
Intensiver integriert «die Liste» das Thema Ukraine-Konflikt in ihr Programm. Die Liste Art Fair Basel, wie sie offiziell heisst, findet parallel zur Art Basel statt – dieses Jahr in der Halle 1.1 – und avancierte in den 26 Jahren ihres Bestehens zu einer der wichtigsten Messen für aufstrebende zeitgenössische Kunst. An der diesjährigen Ausgabe stellen neben Max und Julia von der Galerie Voloshyn, die von Miami anreisen, auch noch die ukrainische Galerie The Naked Room aus. Als Frauen dürfen die beiden Besitzerinnen aus dem Kriegsgebiet ausreisen.
Russen machen Ukrainern Platz
Eigentlich waren beide Galerien nicht Teil des Programms – doch als Putins Armee die Ukraine angriff, beschlossen die beiden russischen Galerien, die für die Liste zugelassen wurden, ihre Stände als Zeichen der Solidarität ukrainischen Berufskollegen zu überlassen. Teilnahmegebühren müssen sie nicht bezahlen. «Wir finden es wichtig, ihnen eine Plattform zu bieten, die sie in ihrem eigenen Land verloren haben», sagt Joanna Kamm (53), Direktorin der Liste.
Galerien aus Polen und Rumänien, die an der Liste ausstellen, zeigten sich solidarisch, indem sie halfen, die Kunst von der ukrainischen Grenze in die Schweiz zu transportieren oder indem sie ihre Ausstellung um Werke ukrainischer Künstlerinnen und Künstler erweiterten.
Ein Grossteil der ukrainischen Kunst, die an der Liste zu sehen ist, macht das Grauen des Kriegs spürbar. Die Gemälde von Malerin Kateryna Lysovenko (33) aus Kiew zeigen zum Beispiel einen Mann, der ein Skelett vergewaltigt. Der Titel des Werks auf Deutsch übersetzt: «Die wahre Liebe des russischen Soldaten». Ein anderes zeigt einen erschossenen Menschen auf einer Bahre. Titel: «Die Faschisten-Grippe». Oder die Bilder von Nikita Kadan (40), ebenfalls aus Kiew: Sie zeigen schwarze Ackerlandschaften, die an Massengräber erinnern, in Kombination mit alten Sowjetbauten.
Ukrainerinnen und Ukrainer zeigen ihre Glücksbringer
Fast schon hoffnungsvoll ist ein Buch, das eine georgische Galerie in Zusammenarbeit mit einem ukrainischen Kunstkollektiv produzierte und an der Liste für einen guten Zweck verkauft. Es zeigt Amulette von Ukrainerinnen und Ukrainern, die ihnen im Ausnahmezustand Glück bringen sollen.
Zusätzlich präsentiert die Liste ein Filmprogramm mit Werken von 16 ukrainischen Künstlern und Filmemachern. Sie beschäftigen sich mit Klimaschutz, Jugend- und Clubkultur und geben gemäss Kamm einen Einblick in das, was die junge ukrainische Generation «am Vorabend des Kriegs» beschäftigte. Inhaltlich sei das vergleichbar mit Themen, die junge Schweizerinnen und Schweizer beschäftigen würden, sagt Liste-Direktorin Kamm: «Das macht einen als Zuschauer umso betroffener.»
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