Die Gosteli-Stiftung in Worblaufen bei Bern ist das Gedächtnis der Schweizer Frauenbewegung: In den Archiven befinden sich Erinnerungen an das Wirken von Schweizer Frauen und Frauenorganisationen seit dem späten 19. Jahrhundert. Archiv-Leiterin Silvia Bühler hat den Überblick über die Meilensteine auf dem Weg der Schweizer Frauen zur Gleichberechtigung.
Hierzulande haben die Frauen für ihre Anliegen länger kämpfen müssen als in umliegenden Ländern, so die Expertin. «Das lag auch am politischen System in der Schweiz. Es gab nicht nur eidgenössische Abstimmungen, sondern auch Abstimmungen in Kantonen und Gemeinden. Die Frauen mussten viel Überzeugungsarbeit leisten, damit ihnen die Männer politische Rechte gewährten.»
Eine ganze Reihe von kleinen Schritten
Einen Meilenstein gab es Ende der 60er-Jahre. Bühler breitet ein grosses Transparent aus dem Hippie-Jahr 1969 aus. Tausende Frauen und Männer forderten damals beim Marsch auf Bern Gleichberechtigung, angeführt von Frauenkampf-Ikone Emilie Lieberherr (1924–2011). «Menschenrechtskonvention ohne Frauenrecht ein Hohn!» steht auf dem weissen Tuch. Damals wollte der Bundesrat gerade die Europäische Menschenrechtskonvention unterschreiben. «Wegen fehlender politischer Mitsprache der Frauen in der Schweiz ging das aber nur unter Vorbehalt.» Für die Frauen war das ein zusätzlicher Ansporn, endlich ihr Stimmrecht einzufordern.
Am Schluss sei es eine ganze Reihe von Schritten gewesen, die Frauen endlich auf Augenhöhe mit ihren Ehemännern, Brüdern und Vätern brachte, so Bühler. «Dass immer mehr Frauen arbeitstätig waren, spielte sicher eine grosse Rolle. Auch Bildung ist ganz ein entscheidender Schlüssel auf dem Weg zur Emanzipation.» Grosse Sprünge in Richtung Gleichberechtigung gab es in den letzten Jahrzehnten dann auch mehrere, sagt Bühler: «Das neue Eherecht im Jahr 1986, die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, aber auch bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist vieles gegangen.»
Der Kampf geht weiter
Andere Themenbereiche stagnieren nun schon seit über hundert Jahren. «Der Slogan ‹Gleicher Lohn für gleiche Arbeit› stammt aus dem Jahr 1905», erklärt Bühler und nimmt ein Flugblatt aus diesem Jahr in die Hand. «Schon damals stellten die Frauen solch fortschrittliche Forderungen», so die Archiv-Chefin. Nur: Die Forderung ist bis heute nicht umgesetzt – und der Slogan wird auch nach über einem Jahrhundert noch immer verwendet. Andere Forderungen auf dem über hundert Jahre alten Flyer wirken heute seltsam, etwa die nach speziellen Frauen-Restaurants.
Das Fazit von Silvia Bühler: Das Thema Gleichberechtigung ist heute noch so aktuell wie 1905, ist die Gosteli-Archivarin überzeugt. «Der Kampf geht darum weiter. Nicht der Kampf von Frauen gegen Männer, sondern der Kampf für Gleichberechtigung», sagt sie.
Am 7. Februar 1971 sagte das Stimmvolk in der Schweiz – dazumals ausschliesslich Männer – in einer eidgenössischen Abstimmung Ja zum nationalen Stimm- und Wahlrecht für Frauen. Die Schweiz war damit eines der letzten europäischen Länder, das dieses Bürgerrecht auch der weiblichen Bevölkerung zugestanden hat. In einer Serie geht die Blick-Gruppe diesem für unsere Demokratie historischen Ereignis auf den Grund. Wo stehen wir heute, 50 Jahre später, in Sachen Bürgerrechte, Emanzipation und Gleichstellung?
Am 7. Februar 1971 sagte das Stimmvolk in der Schweiz – dazumals ausschliesslich Männer – in einer eidgenössischen Abstimmung Ja zum nationalen Stimm- und Wahlrecht für Frauen. Die Schweiz war damit eines der letzten europäischen Länder, das dieses Bürgerrecht auch der weiblichen Bevölkerung zugestanden hat. In einer Serie geht die Blick-Gruppe diesem für unsere Demokratie historischen Ereignis auf den Grund. Wo stehen wir heute, 50 Jahre später, in Sachen Bürgerrechte, Emanzipation und Gleichstellung?