Massentests an Schulen und in Firmen sind der tragende Pfeiler der neuen Corona-Strategie des Bundes. Zusätzlich soll jeder Einwohner pro Monat fünf Corona-Selbsttests erhalten. Einmal im Monat soll man sie dereinst in der Apotheke abholen können. Kostenlos. So verkündete es Gesundheitsminister Alain Berset am Freitag. Definitiv darüber entscheiden wird der Bundesrat Ende kommender Woche. Nur: In der Schweiz sind Corona-Selbsttests – anders als in Österreich und Deutschland – noch gar nicht zugelassen. Alain Berset sagte am Freitag: «Nur wenn die Selbsttests genügend zuverlässig sind, können wir sie auf den Markt bringen.» Wann und ob dies geschehe, sei bislang unklar, vielleicht, so der Bundesrat vage, sei man im April so weit.
Nachbarländer setzen bereits auf Selbsttests
Selbsttests funktionieren nach der sogenannten Antigen-Methode, es braucht dafür keine Analyse im Labor. Man bohrt mit einem Wattestäbchen im vorderen Teil der Nase. Dann wird das Stäbchen in eine Lösung getaucht und die wiederum auf einen Teststreifen getröpfelt. Und der zeigt wie beim Schwangerschaftstest binnen kurzer Zeit an, ob die Probe positiv ist.
Österreich setzt seit Wochen auf Antigen-Selbsttests für den Hausgebrauch, in Deutschland sind gestern die Discounter Aldi und Lidl ins Geschäft eingestiegen – vielerorts war die Ware nach kurzer Zeit vergriffen. Hierzulande hat sich der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse dafür starkgemacht.
Bloss: Wie verlässlich sind Antigen-Tests überhaupt?
Drei Testarten
SonntagsBlick liegt ein unveröffentlichtes Papier der Schweizerischen Gesellschaft für Mikrobiologie vor. Darin analysieren Wissenschaftler Dutzende Studien aus aller Welt, in denen verschiedene Typen von Corona-Tests miteinander verglichen werden.
Bei Selbsttests, die Sekret aus dem vorderen Teil der Nase analysieren, ist das Resultat eindeutig: Sie sind zwar bequem zu handhaben, aber wenig zuverlässig. Vor allem dann, wenn jemand keine Symptome zeigt, könnte man ebenso gut eine Münze werfen.
Von symptomfreien Virusträgern fanden die Selbsttests – je nach Studie – lediglich 22 bis 41 Prozent. Verheerend, wenn man bedenkt, dass es gerade um die Suche nach asymptomatischen Infizierten geht. Die können sich dann nämlich weiter unentdeckt frei bewegen und andere anstecken.
Wie sagte FDP-Ständerat Josef Dittli diese Woche zu BLICK, bevor er nach einem positiven, laborbestätigten Test per Sondertransport aus dem Bundeshaus spediert wurde: «Ich habe keinerlei Symptome!»
Antigen-Spucktests schneiden schlecht ab
Noch schlechtere Werte erzielten Speicheltests mit der Antigen-Methode, die also nicht im Labor geprüft werden. In einer Studie fand man mit ihnen nicht mehr als 9 Prozent aller asymptomatischen Patienten.
Nicht besser sieht es in der Praxis aus: Bei Covid-19-Patienten im Lausanner Unispital erspürten Antigen-Spucktests gerade mal zwischen vier und acht Prozent der Infizierten. «Eine sehr schlechte Leistung», urteilen die Wissenschaftler.
So lautet denn auch die Empfehlung der Schweizerischen Gesellschaft für Mikrobiologie: Antigen-Tests für den vorderen Nasenbereich und Antigen-Speicheltests sollten nicht für Massentests verwendet werden.
«Antigen-Tests sind nicht der Heilige Gral»
Gilbert Greub, Direktor des Instituts für Mikrobiologie des Universitätsklinikums Lausanne und Mitverfasser der Studie, sagt zu SonntagsBlick: «Antigen-Tests sind nicht der Heilige Gral.» Sie könnten sogar zu einem Desaster führen, weil viele Virusträger nicht entdeckt würden und in falscher Sicherheit besonders gefährdete Personen besuchten, etwa ihre Grosseltern. Die Antigen-Methode tauge lediglich, um Superspreader zu finden – wenn also eine grosse Virenmenge vorhanden sei.
Und was sagen die Hersteller zu diesem Befund? Einer davon ist die Firma Roche, über deren Antigen-Selbsttest derzeit viel diskutiert wird. Den schlechten Resultaten der Gesellschaft für Mikrobiologie setzen die Basler ihre eigenen Daten entgegen. Bei symptomatischen und asymptomatischen Personen, die sich selbst getestet hätten, seien 84 Prozent aller Infizierten gefunden worden, so Roche.
Sicherste Weg führt übers Labor
Für Professor Greub bleiben Antigen-Tests – auch die unangenehmen, bei denen eine Fachperson jemandem das Stäbchen tief in den Nasen-Rachenraum steckt – nur eine ergänzende Massnahme. Der sichere Weg führe über das Labor, sagt Greub, solche Tests seien 1000 Mal genauer.
Der Experte empfiehlt dem Bundesrat, auf Speicheltests zu setzen: Gespuckt werden könne daheim, im Betrieb oder in der Schule. Doch dann gehöre die Probe ins Labor.