Britische Skigäste fühlten sich «dämonisiert»
«Die Schweiz sollte uns entschädigen»

Briten, die ihre Skiferien in der Schweiz in Zwangsquarantäne verbrachten, zeigen sich schwer enttäuscht über das Gastland. Verwirrung und Isolation seien «grauenvoll» gewesen. Einer wurde vom Personal im Fünf-Sterne-Hotel angeschrien. Ein anderer will Schadenersatz.
Publiziert: 02.01.2021 um 04:25 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2021 um 11:20 Uhr
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Die Polizei im Dauereinsatz in Verbier VS.
Foto: Keystone
Daniel Kestenholz

Sie fühlten sich wie Gefangene: britische Wintersportler, die über die Festtage für Skiferien in die Schweiz reisten – und dort gleich unter Zwangsquarantäne gestellt wurden. Jetzt beschweren sich viele darüber, wie schlecht sie in der Schweiz behandelt, ja wie sie «dämonisiert» worden seien.

Hinter vorgehaltener Hand ist von einer eigentlichen Hexenjagd die Rede. Einheimische in Verbier VS und auch im Berner Oberland, wo Briten liebend gerne Skifahren, hätten die Gäste aus Grossbritannien wie Aussätzige behandelt. Diese Gäste mussten nach einem Bundesratsentscheid vom 21. Dezember in Zwangsquarantäne statt auf Skipisten sein.

Dies, obschon die Gäste ihre Reisen schon weit im Voraus gebucht und auch alles bezahlt hatten. An ein «Vergnügen», in einem Hotelzimmer mit Alpenblick und Zimmerservice festzusitzen, sei dabei nicht zu denken gewesen. Das erzählen sich geprellt fühlende Briten der Zeitung «The Telegraph». Einige fordern Schadenersatz von der Schweiz.

Quarantäne zu fünft im kleinen Pensionszimmer

Ein dreifacher Familienvater, der in der Schweiz 1972 erstmals auf Skis stand und seither immer wieder seine Skiferien in der Schweiz verbrachte, «wird nicht so bald zurückkehren». Der Mann, der namentlich nicht genannt werden will, habe mit seiner Frau und den Kindern aus einem familienfreundlichen Ort wenigstens «etwas frische Luft und Sonne mitgenommen». Er nennt dies eine Belohnung für die Kinder, mit denen er am 20. Dezember aus London «direkt in das Auge des Sturms» gereist sei. Kurz nach der Ankunft wurden sie per SMS über die zehntägige Quarantänepflicht informiert. Die gesamten Weihnachtsferien fielen ins Wasser.

Er habe die Kinder sofort von der Skischule abgeholt und im Supermarkt genug eingekauft. Die Quarantäne sei «eine Qual» gewesen, er aber sei «ein gesetzestreuer Bürger» habe sich an die Regeln gehalten. Doch mit drei Kindern im Alter von zehn bis 15 Jahren in einem kleinen Zimmer und keiner Möglichkeit, andere Mahlzeiten als das Frühstück zu bekommen, diese Situation sei bald «unhaltbar» geworden.

«Wir hörten, dass es Rückführungsflüge geben würde, aber es herrschte völlige Verwirrung darüber, was erlaubt war und was nicht.» Auch die Besitzerin der Pension, wo die Familie untergebracht war, habe immer wieder vergeblich versucht herauszufinden, welche Regeln denn genau gelten.

Brite drückt sich vor Schweizer Corona-Quarantäne
2:42
Corona-Quarantäne abgebrochen:200 Briten fliehen aus Verbier

Angst vor rückwirkender 10’000-Franken-Strafe

Am Weihnachtstag floh die Familie aus der Walliser Quarantäne – mit Masken und ohne ein Wort zu sprechen, aus Angst, aufzufliegen und angehalten zu werden. In den Skiorten war ja extra Polizei im Einsatz, um den Quarantänestatus von jedem zu überprüfen, der zufällig Englisch sprach. «Unsere Vermieterin brachte uns noch zum Bahnhof», erzählt der Mann. «Sie war verzweifelt, denn sie wusste nicht, was sie tun sollte.»

Er sei ein begeisterter Skifahrer, werde aber in nächster Zeit sicher nicht mehr in die Schweiz zurückkehren – nicht zuletzt auch aus Angst vor Repressalien und einer rückwirkenden Geldstrafe von 10'000 Franken.

«Es war grauenvoll»

Auch andere britische Skifahrer, die gezwungen worden waren, eine Quarantäne in der Schweiz auszusitzen, können offenbar das Gefühl nicht loswerden, dass sie regelrecht verfolgt worden seien. So reiste Geoff Heath-Taylor bereits am 16. Dezember mit einer Familie, für die er als Privatlehrer arbeitete, in Zermatt an. Die Gruppe wohnte in einem Fünf-Sterne-Hotel und genoss vier Tage lang die Pisten und das Spa. Dann trat die Quarantänepflicht in Kraft.

«Es war grauenvoll», erinnert sich Heath-Taylor. «Unsere Ferien waren auf der Stelle zu Ende. Wir waren durch eine Tourismuskampagne dazu ermutigt worden, in die Schweiz zu fahren, wir hatten den Pool, die Sauna und die Dampfbäder des Resorts genutzt und genossen vier Tage lang die Skipisten - und dann durften wir plötzlich unsere Zimmer nicht mehr verlassen».

Alle hätten noch Corona-Tests vor der Abreise gemacht. In der Schweiz seien sie «beschimpft worden, weil sie für Weihnachtsferien bezahlt hatten, die ruiniert wurden». Sagt der Engländer: «Wir fühlten uns vom Hotel verurteilt – wir reisten am zweiten Weihnachtsfeiertag ab, als unsere Quarantäne endete, und selbst dann wurde ich vom Personal an der Rezeption angeschrien, auf mein Zimmer zurückzukehren.»

Forderung nach Schadenersatz

Auch der Investment-Manager und begeisterte Skifahrer Marc Gilly (54) war über Weihnachten in Zermatt – und bekam die Verfolgung der Englischsprachigen ebenfalls zu spüren. Dies, während Deutsche unbehelligt gelassen worden seien.

Gilly zeigt gewisse Einsicht, dass es schwierig und ungewiss sei, während einer Pandemie zu reisen. Er aber sei wütend über den Mangel an Klarheit, über fehlende Unterstützung und die «ungleiche Behandlung zwischen Briten und Deutschen».

Und während die Vorstellung, in einem schönen Hotelzimmer in den Alpen mit Zimmerservice «festzusitzen», wie ein Vergnügen klingen möge, sei die Realität eine ganz andere. Man zahle «sowieso schon zu viel für sieben Tage, weil es Weihnachtspreise sind, jetzt musst du zehn Tage in Quarantäne gehen und Flüge umbuchen. Ich verstehe, dass sich die Situation geändert hat, aber die Schweizer Behörden sollten eine Entschädigung anbieten, da sie dies rückwirkend angewendet haben.»

Übereifrige Polizei

Ein britischer Chalet-Besitzer erzählt, die Polizei habe am 22. Dezember an seine Tür geklopft, um zu überprüfen, ob seine Familie in Quarantäne sei. Dies, obwohl ihre Quarantäne bereits vorbei gewesen sei und der Kanton dies amtlich bestätigt hatte.

Die Polizei habe dann zugegeben, die Unterlagen «nicht einmal angeschaut» zu haben. Die Uniformierten seien übereifrig gewesen, sagt der Brite, aber «nicht kompetent, zu kontrollieren, was vor sich ging».

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