Diese Schlacht noch zu gewinnen, ist eher aussichtslos. Das hält die verwegene Truppe aber nicht davon ab, es zu versuchen. Diese Woche riefen Biobauern und IP-Suisse-Landwirte den Ständerat auf, in der Agrarpolitik vorwärtszumachen – während der Bauernverband empfiehlt, das Reformpaket auf Eis zu legen.
Der Aufstand der Biobauern und IP-Suisse-Landwirte – Letztere gehen einen Mittelweg zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft – kommt in letzter Minute, vor dem Entscheid des Ständerats morgen Montag. Und er richtet sich frontal gegen besagten Bauernverband, in dem viele Biobauern und IP-Suisse-Landwirte ebenfalls Mitglieder sind. Verbandspräsident und CVP-Nationalrat Markus Ritter (53) setzt sich im Parlament an vorderster Front für die Sistierung der sogenannten Agrarpolitik 22 plus ein.
Aber worum geht es bei diesem Streit überhaupt? Die neue Agrarpolitik zielt auf eine ökologischere Landwirtschaft – was Biobauern und IP-Suisse-Landwirte naturgemäss begrüssen. Das Öko-Lager ist nicht zu unterschätzen: Von rund 50'000 Betrieben in der Schweiz bauern rund die Hälfte biologisch (7300) oder gemäss den Vorgaben von IP Suisse (18'500).
Bio Suisse: «Das ist ein sinnvoller Schritt»
«Die neue Agrarpolitik unterstützt jene Bauern, die weniger Pestizide oder Antibiotika einsetzen möchten», erklärt Urs Brändli von Bio Suisse. «Sie ist ein sinnvoller Schritt – und eine Chance, uns auf den Weg hin zu einer enkeltauglichen Landwirtschaft zu begeben», so der Präsident des Dachverbands der Schweizer Biobauern.
Indem der Bauernverband auf einen Stopp des Reformpakets dränge, verhindere er eine nachhaltigere Entwicklung der Landwirtschaft. «Dabei verkennt er: Die Landwirtschaft wird sich so oder so bewegen müssen», so Brändli.
Fritz Rothen, Geschäftsführer des Marienkäfer-Labels IP Suisse, doppelt nach: «Die Sistierung würde uns schaden.» Der Marschhalt würde die Bauern «zurückwerfen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit – obwohl die Konsumenten just dies verlangen».
Bauernverband: «Einkommen würde sinken»
Zu einem ganz anderen Schluss kommt Bauernverbandspräsident Ritter. Das Parlament habe die wichtigsten Vorstösse für nachhaltige Landwirtschaft in eine separate Vorlage ausgelagert, namentlich die Reduktion von Pestiziden. Für Ritter – und mit ihm für die Mehrheit der Verbandsmitglieder – überwiegen die Nachteile des Reformpakets. Auch wenn IP-Suisse und Biobauern zahlenmässig stark sind: Innerhalb des Bauernverbands haben sie, nicht zuletzt wegen der Grösse ihrer Betriebe, weniger Einfluss.
«Mit der Agrarpolitik des Bundesrats würde das Gesamteinkommen der Landwirtschaft um 265 Millionen Franken sinken», begründet Ritter seine ablehnende Haltung, «das können wir nicht akzeptieren.»
Den Einwand, dass auch die Anzahl der Bauernhöfe in der Schweiz ständig sinkt und unter dem Strich pro Betrieb mehr Geld übrig bleibt, lässt Ritter nicht gelten. «Wenn die Höfe zusammengelegt werden, steigt auch der Aufwand.»
Mehr Import?
Nicht zuletzt kritisiert der CVP-Politiker, dass mit dem bundesrätlichen Reformpaket der Selbstversorgungsgrad sinken würde. «Es kann nicht sein, dass wir weniger Früchte und Gemüse produzieren und dafür mehr aus dem Ausland importieren», sagt Ritter.
Zudem stört sich der Verbandspräsident am steigenden administrativen Aufwand, den die Reform mit sich bringe: «Kein Bauer kann einem Paket zustimmen, das die Landwirte dermassen schwächt», so Ritters Bilanz.
Urs Brändli von Bio Suisse überzeugt das alles nicht. «Dass die Agrarpolitik dem Bauernverband zu weit geht und den Umweltverbänden zu wenig weit, zeigt gerade: Sie ist ein gangbarer Weg.»