Was ist deine Lieblingsblume? Ich notiere sie mir für unsere Jahrestage.» Dieser Satz eröffnet die Flirt-Konversation auf einer Dating-App. Der Clou: Geschrieben hat ihn ein Computerprogramm mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI).
Die Onlinesuche nach der grossen Liebe oder dem nächsten Flirt boomt seit über zwei Jahrzehnten – nicht nur bei unter 30-Jährigen. Neben Vermittlungsdiensten wie Parship oder Elitepartner florieren Apps wie Tinder, Bumble oder Hinge, die versprechen, die Suche nach potenziellen Datingpartnerinnen oder -partnern unkomplizierter und schneller zu gestalten: App öffnen, Fotos anschauen und über den Bildschirm wischen («swipen») – so lange oder so kurz, bis sich zwei in einem «Match» gefunden haben.
Allen Datingplattformen oder -Apps gemein ist die Qual der Wahl und – bedeutend anstrengender – der Smalltalk bei der Kontaktaufnahme. Denn ein Treffer allein reicht nicht, um ein Date zu vereinbaren: Zuerst muss in die Tasten gehauen und geflirtet werden. Bekunden beide Seiten nach dem Chat noch immer Interesse, wird ein Termin vereinbart.
Flirten für Faule
Romantisch ist das nicht. Und manchen auch nicht einfach oder schnell genug. Denn: Auch Swipen und Online-Small-talk verlangen Zeit und Geduld, der Chat zudem ein Minimum an Kreativität.
Die Entwickler des Cupidbot haben daraus ein Geschäft gemacht. Das digitale Werkzeug übernimmt auf der Dating-App mithilfe von künstlicher Intelligenz nicht nur die Partnerwahl, sondern gleich auch die Chat-Konversation bis zum ersten Date. Zwar blieben Anfragen von SonntagsBlick unbeantwortet, gegenüber dem Magazin «Fluter» gaben die Erfinder des KI-Kupplers jedoch an, das Programm hauptsächlich für Männer erstellt zu haben.
Auf ihrer Website werben die Bot-Entwickler mit Versprechen wie: «Nie wieder Swipen», «Nie wieder Smalltalk» und «Fangen Sie tatsächlich an, sich zu verabreden». Aber hält der Cupidbot auch, was er verspricht? Und funktioniert das für Männer geschaffene virtuelle Werkzeug (Cupid heisst der Liebesgott Amor auf Englisch) auch für Frauen? SonntagsBlick bat Céline* (38), den KI-Amor zu testen.
Es ist Samstagabend und die 38-Jährige skeptisch, aber gespannt. Wird der Onlinekuppler ihren Flirthorizont erweitern und zum spannenden Wortwechsel anregen oder reiht die viel gerühmte künstliche Intelligenz einfach eine plumpe Anmache an die nächste?
Bevor der Cupidbot loslegen kann, will er wissen, wen Céline sucht, natürlich auch, welches Geschlecht das potenzielle Date haben soll – Céline klickt «männlich» an. Doch der Algorithmus interessiert sich nicht nur dafür, welches Alter das Date haben und wie weit entfernt es maximal wohnen soll. Wissen will der KI-Kuppler auch, welcher Grad von Attraktivität gewünscht wird, welche Figur oder Haarfarbe und welche ethnische Zugehörigkeit der Betreffende haben soll – «weiss», «schwarz», «asiatisch», «Latino»? Auch nach optischen Tabus bei der Partnerwahl fragt das Programm.
Sind die äusseren Kriterien festgelegt, will der Bot wissen, wie er die Konversation gestalten soll. Céline darf nicht nur wählen, ob der Online-Amor auf Deutsch, Englisch, Spanisch oder Chinesisch flirten soll, sondern auch auf welche Art – esoterisch, neckisch, poetisch, exzentrisch oder nach Art der japanischen Samurai? Die Auswahl ist gross. Céline probiert Verschiedenes aus – beginnend mit neckischen Sprüchen. Als Ziel entscheidet sie sich für eine Verabredung zum Kaffee.
Auswahlsendungen und Poetik
Rund 30 automatisierte Treffer später schlägt der Cupidbot die ersten Flirtzeilen vor: «Was ist deine Lieblingssüssigkeit? Das muss ich für unsere künftigen Filmabende wissen.» Diese Nachricht geht an einen Mann Anfang 40 auf der Suche nach einer Beziehung.
Ganz andere Töne schlägt der KI-Kuppler bei einem 45-Jährigen an, der in einer offenen Beziehung und nur auf der Suche nach «etwas Lockerem» ist: «Sieht aus, als hätten wir beide etwas gemeinsam, denn auch ich bin in einer offenen Beziehung ... mit meinem Goldfisch. Willst du mit uns schwimmen gehen?» Und für einen 37-jährigen Griechen hat der Bot eine charmante Nachricht parat: «Na, ich hoffe, deine Augen lügen nicht und du bist wirklich so schön, wie dein griechischer Ursprung vermuten lässt.»
Schmunzelnd stellt Céline fest, dass die Zeilen bei ihren «Matches» rasch auf Interesse stossen und sie zu Antworten animiert. Ob es am «neckischen» Konversationsstil liegt?
Bot kommt nicht zum Abschluss
Zeit, den poetischen Flirtstil zu testen. Der Bot schlägt vor: «Ich habe für dich einen Platz auf meinem Tandemfahrrad reserviert.» Dann will Céline noch wissen, wie ein Samurai flirtet – und winkt gleich wieder ab, als der KI-Amor vorschlägt, einen Chat mit den Worten «Jetzt gehörst du mir» zu eröffnen.
Eine gute Stunde lässt die 38-Jährige den Cupidbot für sie flirten – oder es zumindest versuchen. Denn an dieser Stelle muss gesagt werden: Die Chat-Qualitäten des KI-Amors lassen zu wünschen übrig. Zwar fand der Bot immer einen Anmachspruch, den Chat weiterzuführen, überforderte ihn aber zumeist.
So musste Céline schliesslich ihren eigenen Charme spielen lassen, um zu einer Verabredung zu gelangen – mit Erfolg: Der schöne Grieche will sie unbedingt zum Kaffee treffen.
*Name der Redaktion bekannt