Berner Tierpark vor ungewisser Zukunft
Zoff im Streichelzoo

Der Tierpark Dählhölzli will umbauen – und den beliebten Streichelzoo schliessen. Dagegen läuft die SVP Sturm. Wie es heisst, auch mit unfairen Mitteln.
Publiziert: 09.03.2025 um 10:55 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2025 um 11:59 Uhr
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Der Streichelzoo im Tierpark Bern soll einer modernen Anlage weichen.
Foto: Kim Niederhauser

Auf einen Blick

  • Streit um Streichelzoo im Berner Tierpark Dählhölzli entfacht politische Debatte
  • SVP-Politiker Thomas Fuchs kämpft gegen Modernisierungspläne der Zoo-Direktorin
  • Initiative zum Erhalt des Streichelzoos von über 5000 Personen unterschrieben
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Frühlingserwachen in Bern, seit Tagen lacht die Sonne. Doch die Aare ist immer noch saukalt, knapp 7 Grad. Wie die Aare-App vermeldet, fliesst bloss «brätsch weni» Wasser den Fluss hinunter und macht aus Winterschwimmenden nun Winterwatende. 

Ähnlich frostig ist die Stimmung in der lokalen Politik. Es geht um den vielleicht charmantesten Tierpark der Schweiz, der sich am Aareufer entlang erstreckt: den Dählhölzli-Zoo. Genauer gesagt geht es um den dortigen Streichelzoo. In den Zukunftsplänen der Zoo-Betreiber hat er keinen Platz mehr. Das ruft – natürlich – die örtliche SVP auf den Plan.

Fuchs streichelt Ziege

Auftritt Thomas Fuchs (58), Grossrat, alt Nationalrat und Präsident der Stadtberner SVP. Fuchs, der sich hin und wieder um Parkverbote foutiert, stellt seine schwarze Luxuslimousine direkt vor dem Streichelzoo ab und klettert flugs ins Gehege.

Den Geissbock, der sich auf dem warmen Boden sonnt, scheint das nicht gross zu kümmern. Thomas Fuchs krault das struppige Tier und sagt: «Es will mir partout nicht einleuchten, weshalb man das abschaffen will.» Als er vor anderthalb Jahren erstmals von den Plänen hörte, habe er sich gedacht: «Jetzt spinnen sie!»

Der Alte gegen die Neue

Mit «sie» meint Fuchs in erster Linie die Direktorin des Tierparks. Friederike von Houwald (55) hat hier vor dreieinhalb Jahren das Zepter übernommen. Zuvor war die Tierärztin 20 Jahre im Basler Zoo angestellt, zuletzt als Kuratorin.

Seit die gebürtige Deutsche im November 2023 die «Gesamtplanung 2023–2033» fürs Dählhölzli vorgestellt hat, schiesst die SVP aus vollen Rohren gegen das Vorhaben, entschlossen flankiert von Ex-Zoodirektor Bernd Schildger. Die Neue stelle die Existenz des Zoos infrage, stänkerte der alte Chef. Von Houwald interessiere sich bloss für Insekten, ätzte Fuchs. Und die «Berner Zeitung» zweifelte daran, dass Eltern ihre Kinder dereinst tatsächlich ins Dählhölzli bringen werden, um ihnen eine Gelbbauchunke zu zeigen.

Es geht ums Tierwohl

Doch was ist der Kern dieser Streitigkeiten? Vor allem, dass der Zoo in die Jahre gekommen ist. Viele Gebäude stammen aus der Gründungszeit, es fehlt an Büros, WC-Anlagen, Werkstätten. Um dem einstigen Tierpark-Motto «Mehr Platz für weniger Tiere» gerecht zu werden, braucht es Interventionen – auch im Kinderzoo. Dort stehen die Meerschweinchen zu oft im feuchten Gras, was ihren Pfoten nicht gut bekommt. Ponys, Zwergesel und Ziegen schwitzen an heissen Sommertagen, und es fehlt ihnen an geeigneten Rückzugsmöglichkeiten, wenn das Besucheraufkommen sie überwältigt. Kurz: Einer modernen, artgerechten Haltung entspricht der Dählhölzli-Zoo längst nicht mehr.

Deshalb haben die Direktorin und ihre Crew nun Grosses vor. Man will die Tierhaltung optimieren, barrierefreie Zugänge und in ein Artenschutz-Zentrum an der Aare investieren. In der Lokalzeitung «Bernerbär» sagte die Direktorin letzte Woche, dass man Anlagen wolle, die Begegnungen im Sinn der Menschen, aber ebenso im Sinn der Tiere möglich machen.

Es wäre, so von Houwald weiter, auch aus Sicht des Zoo-Tierarzts nicht okay, den Kinderzoo weitere zwanzig Jahre im gleichen Stil weiterzubetreiben. «Wir wollen nicht wegnehmen, sondern nur andere Tierbegegnungen möglich machen.» Ende 2023 genehmigte der Berner Gemeinderat den Plan, der Stadtrat nahm ihn mit grosser Mehrheit zustimmend zur Kenntnis.

Dennoch will der Stadtberner SVP-Boss Fuchs all das verhindern. Obwohl bereits in der Zoo-Strategie 2016–2026, damals noch verantwortet von Ex-Direktor Schildger, der Streichelzoo einem kleinen Bauernhaus im Ballenberg-Stil hätte weichen müssen. Fuchs verweist lieber auf vermeintlich unzufriedene Mitarbeitende, die mit dem Führungsstil der neuen Chefin Probleme gehabt haben sollen. In der Presse war zur Zeit ihres Stellenantritts die Rede von Konflikten hinter den Kulissen.

Zufriedene Mitarbeitende

SP-Stadträtin Judith Schenk legt sich für den neuen Zoo ins Zeug – und spricht von einer unfairen Kampagne, die da geführt werde. Zahlreiche Mails von Zoo-Angestellten zeichneten ein komplett anderes Bild. In einem der Schreiben an Schenk heisst es: «Ich erlebe die Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den einzelnen Bereichen als gut funktionierend und wertschätzend.» Jemand anderes bezeichnet Friederike von Houwald als «empathische, feinfühlige und angenehme Chefin»; die Zusammenarbeit mit ihr sei «jederzeit konstruktiv und zielgerichtet». In einem weiteren Brief an die SP-Parlamentarierin heisst es, man sei überzeugt, dass der von Friederike von Houwald eingeschlagene Weg den Tierpark erfolgreich in die Zukunft bringen werde.

«Ich denke nicht, dass den Bernerinnen und Bernern bewusst ist, wie grossartig die neue Zoo-Strategie ist und dass sie für alle viel Spannendes bereithält», sagt Judith Schenk. Und: Es gehe nicht an, dass die SVP fortwährend eine Frau angreife, die einen sehr guten, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Job mache. «Der SVP geht es wie so oft nur ums Blockieren.»

Showdown an der Urne

Nachdem eine Petition zum Erhalt des Streichelzoos kaum Eindruck gemacht hatte, lancierte die SVP im August des vergangenen Jahres eine Initiative unter dem Titel «Ja zur langfristigen Sicherstellung und Unterstützung eines artgerechten grosszügigen Streichelzoo-Geheges im Tierpark Bern». Mehr als 5000 haben unterschrieben. Am Freitag erklärte der Gemeinderat die Initiative für gültig. Das letzte Wort in Sachen Dählhölzli haben nun also die Bernerinnen und Berner.

Nach eigener Darstellung war Thomas Fuchs noch nie so sicher, eine Abstimmung zu gewinnen. In der Regel hat seine Partei in der rot-grün dominierten Hauptstadt zumeist einen schweren Stand. Dass es diesmal anders laufen könnte, zeigt die Reaktion einer Streichelzoo-Besucherin, die an diesem prächtigen Frühlingstag mit ihrem Sohn die Anlage besucht. Die Tiere seien an die streichelnden Hände gewöhnt, sagt die Mutter. Bei Wahlen bevorzuge sie zwar stets die linken Parteien, sagt die Mutter dann noch. Hier aber werde sie wohl für einmal mit der SVP stimmen.

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