Vor eineinhalb Wochen setzen Lea (39) und Christoph (37) Wandfluh einen emotionalen Post auf Facebook ab. Das Wirtepaar des Berghotels Oeschinensee bei Kandersteg BE erklärt darin, dass es in ihrem Betrieb neu nur noch Selbstbedienung gibt. Grund: Beleidigungen und Morddrohungen gegen ihre Angestellten, ausserdem grosser Fachkräftemangel und Stress. Die Reaktionen auf den Post sind aber nicht nur positiv. Im Blick-Interview erklären die beiden, was sie beim nächsten Mal anders machen würden.
Blick: Lea und Christoph Wandfluh, vor gut einer Woche haben Sie Ihre Sorgen und Nöte in den sozialen Medien publik gemacht. Von einigen Menschen gab es Verständnis, von anderen das Gegenteil. Ihnen wird in den Kommentarspalten teilweise vorgeworfen, selbst schuld an der Misere zu sein. Bereuen Sie Ihren Post inzwischen?
Lea Wandfluh: Vielleicht waren wir etwas naiv. Niemals hätten wir mit einer solchen Resonanz gerechnet. Hätten wir das im Vorfeld gewusst, hätten wir sicher ein paar Sachen anders gemacht.
Und was wäre das?
Lea Wandfluh: Wir würden sicher nicht mehr so emotional kommunizieren, würden das Geschriebene von einer externen Person zuerst einmal gegenlesen lassen. Wir haben zwar sehr viele positive Reaktionen bekommen. Aber auch ein paar, die äusserst negativ waren. Leider sind es die, die einem dann sehr nahegehen. Wenn man an so etwas nicht gewöhnt ist, ist es schwer, damit umzugehen.
Christoph Wandfluh: Der Entscheid, unser Betriebskonzept anzupassen, um uns und unsere Mitarbeitenden zu entlasten, war ein sehr rationaler. Darüber haben wir lange nachgedacht, haben uns auch beraten lassen. Die Kommunikation im Nachgang war dann unglücklich. Vor allem, weil die Situation schon schwierig war. Sonst hätten wir ja den Post nicht gemacht.
War der Eintrag auf Facebook demnach ein unüberlegter Schnellschuss?
Lea Wandfluh: Im Nachhinein ist es wohl etwas zu schnell gegangen. Auch aus einer gewissen Hilflosigkeit heraus. Wir hätten etwas besser darüber nachdenken sollen, wie wir unsere Botschaft rüberbringen.
Den Post haben Sie aber nicht gelöscht. Warum nicht? So hätten sie sich nach den ersten Reaktionen viel ersparen können.
Christoph Wandfluh: Dafür hatten wir zu viele gute Rückmeldungen. Andere Gastronomen haben sich gemeldet und gesagt: Danke, dass ihr das Problem angesprochen habt.
Lea Wandfluh: Im Post stehen unsere Worte, und zu denen stehen wir. Es gab diese Bedrohungen, die Beschimpfungen und alles andere. Dennoch würden wir es das nächste Mal anders machen. Nicht mehr so emotional. Denn eigentlich wollten wir ja die Gründe für die Anpassung des Betriebskonzepts bekannt machen. Auch im Sinne unserer Mitarbeitenden.
Wie erging es den Mitarbeitenden mit den Reaktionen?
Christoph Wandfluh: Negative Reaktionen gehen auch an unseren Mitarbeitenden nicht spurlos vorbei. Zumal der Druck ohnehin schon sehr gross ist. Die Zahl der Gäste nimmt beständig zu, die der Mitarbeitenden wird weniger. Das ist kein leichtes Arbeitsumfeld. Gleichzeitig sind uns unsere Gäste wichtig, und wir wollen, dass sie ihren Besuch bei uns geniessen können.
Sie schreiben in Ihrem Beitrag auch von vielen Abgängen bei den Mitarbeitenden und von der schwierigen Suche nach neuen Angestellten. Warum ist es für Sie so schwer, geeignete Mitarbeitende zur rekrutieren?
Christoph Wandfluh: Wir sind ein Familienbetrieb, wir suchen nach Angestellten, die lang bei uns bleiben. Auf der anderen Seite ist die Arbeit hier oben nicht für jedermann. Der Stress ist gross, die Ansprüche sind hoch. Hinzu kommt, dass unsere Mitarbeitenden mehrsprachig sein müssen. Zu uns kommen Gäste aus 30 verschiedenen Ländern. Derweil leidet die Gastronomie grundsätzlich an einem Fachkräftemangel. Es ist also schwer, geeignete Mitarbeitende zu finden.
Lea Wandfluh: Umso wichtiger ist es, dass wir uns um die, die wir haben, kümmern. Bei immer mehr Gästen und gleichzeitig weniger Mitarbeitenden ist es klar, dass es zu Spannungen kommt. Wir haben deshalb in den vergangenen Tagen eine Charta geschrieben, die helfen soll, das Miteinander am Oeschinensee zu verbessern.
Spannungen gibt es offenbar auch immer wieder bei Ihrem Transportservice zur Bergstation der Seilbahn. Dann nämlich, wenn Gäste aus Platzgründen nicht mitgenommen werden können. Warum schaffen Sie den Taxidienst nicht einfach ab?
Christoph Wandfluh: Die Idee des Services ist es grundsätzlich, dass auch ältere Menschen oder solche mit Beeinträchtigung zu uns kommen können. Würden wir den Service abstellen, würden wir diesen Menschen diese Möglichkeit nehmen, das wollen wir nicht. Aber wir werden schon darüber nachdenken müssen, ob der Transportservice Anpassungen braucht.
Was haben Sie aus der ganzen Sache gelernt?
Christoph Wandfluh: Erstes einmal, dass wir nicht allein sind mit dem Problem. Wir hatten wirklich viele Anfragen von Gastronomen, was wir gemacht haben und wie wir es angegangen sind.
Lea Wandfluh: Dann haben wir aber auch gelernt, dass es nicht nur rationale Entscheidungen braucht, sondern auch eine ebensolche Kommunikation. Emotion ist dabei ein schlechter Berater.
Christoph Wandfluh: Wir haben mit dem Post den Kopf angeschlagen. Aber das ist menschlich. Wichtig ist jedoch, dass man aus den gemachten Fehlern etwas lernt und es das nächste Mal besser macht.