Das Wirtepaar vom Berghotel und Restaurant Oeschinensee hat genug von Pöblern, die ihre Gäste bedrohen. Es hat die Konsequenzen gezogen: Im Sommer bleibt das Hotel geschlossen. Im Restaurant gilt ab sofort Selbstbedienung.
Rückmeldungen von Mitgliedern in Sachen rüpelhafte Gäste kennt auch Casimir Platzer (60). Er ist Präsident des Verbandes Gastrosuisse und weiss: «Das Thema wird in Seminaren und auch bei betrieblichen Trainings immer mehr nachgefragt.»
Deeskalierend wirken
In erster Linie müssten die Vorgesetzten wissen, wie sie auf beleidigendes und gewalttätiges Verhalten von Gästen reagieren können und entsprechend trainiert sein. «Im ersten Schritt geht es darum, deeskalierend auf den betroffenen Gast einzuwirken», sagt Platzer. Wird dieser handgreiflich, dann muss der Vorgesetzte die Mitarbeitenden schützen.
Manchmal genüge es, den Gast aus dem Lokal zu weisen. «Sonst muss man die Polizei rufen», rät Platzer. Ganz wichtig sei es, dass entsprechende Szenen auch regelmässig trainiert werden. «Und zwar mit einem Profi!», sagt Platzer. Nur das bringe etwas. Wirte ermutige man, selbstbewusst aufzutreten. «Sie dürfen die Polizei auch ruhig einmal zu früh rufen», sagt er.
Es gibt nicht mehr alles sofort
Maurus Ebneter (59), Präsident des Wirteverbands Basel-Stadt, zweifelt daran, dass die Umstellung auf Selbstbedienung viel ändert. «Mangelnden Anstand, Frustrationen und Zerstörungswut wird es wohl dennoch geben», sagt er. Auch wenn man Drohungen und sogar Gewalt an einem idyllischen Ort wie dem Oeschinensee nicht erwarten würde. «In der Masse fallen bei einigen die Hemmungen», glaubt er.
Frieder Voll (41), Tourismus-Experte an der Fachhochschule Graubünden: «Unfreundliche und ungeduldige Kunden sind ein Phänomen des Massentourismus gepaart mit dem Arbeitskräftemangel. Viele Gaststätten und Hotels haben zu wenig Personal», sagt er. Der Druck, der auf diesen Mitarbeitenden liegt, sei somit viel grösser. «Früher waren sich Kunden gewohnt, dass es alles sofort und immer gibt. An die neuen Gegebenheiten muss man sich als Gast nun erstmals gewöhnen. In Touri-Hotspots verschärft sich die Problematik natürlich umso mehr», sagt er.
Fördert Frustrationen
Dazu kommt, dass sich in den letzten Jahren online Bewertungs- und Kommentarfunktionen durchgesetzt haben. «So sind sich Gäste inzwischen gewohnt, zu allem ihren Senf dazuzugeben. Früher hätte man sich kurz über den langsamen Service genervt – eine Viertelstunde später hatte man das Ganze bereits vergessen», so Voll. «Instagram und andere soziale Medien vermitteln zudem teils ein verfälschtes Bild. Das fördert Frustrationen bei den Touristen.»