Kranker Roli Zihlmann um 30'000 Franken geprellt und mit Bürokratie geplagt
Bauriese lässt Berner Büezer böse bluten

Roli Zihlmann (45) fühlt sich im Stich gelassen. In seiner Probezeit beim Bauriesen Kibag wurde er krank und kurz darauf entlassen. Die Kibag weigert sich seither, Zihlmann seine Krankentaggelder auszuzahlen und verstösst damit gegen den Landesmantelvertrag.
Publiziert: 27.01.2024 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2024 um 09:14 Uhr
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Roland Zihlmann (45) aus Kaufdorf BE liegt im Clinch mit dem Bauriesen Kibag. Das Bauunternehmen schulde ihm rund 30'000 Franken an Krankentaggeldern.
Foto: Philippe Rossier

Roli Zihlmann (45) aus Kaufdorf BE hatte es noch nie leicht in seinem Leben. Trotz diagnostizierter Rechtschreibschwäche und psychischer Probleme arbeitet er sich aber in über 20 Jahren auf dem Bau mit grossem Fleiss und harter Arbeit zum Gruppenführer hoch. «Ich war immer ein Chrampfer», erzählt Zihlmann sichtlich stolz. Jahrelang habe er unentwegt gearbeitet und sich so ein finanzielles Polster zulegen können. Seit August 2022 schmilzt dieses aber in rasender Geschwindigkeit dahin: «Lange halte ich die Situation finanziell nicht mehr aus!» Was ist passiert?

Im Sommer 2022 bewirbt sich Zihlmann beim Zürcher Bauriesen Kibag und erhält eine Arbeitsstelle als Gruppenführer. Für den neuen Job zieht er gar aus dem Kanton Bern um, «ans andere Ende des Landes», in die Ostschweiz.

Schwere Krankheit in der Probezeit

Zwei Monate nach Stellenantritt, noch in der Probezeit, holen ihn die Geister seiner Vergangenheit ein. Seine psychischen Probleme kehren, trotz medikamentöser Behandlung, zurück und werden so schwer, dass er zu 100 Prozent krankgeschrieben wird und nicht mehr seiner Arbeit nachgehen kann. Die Kibag entlässt ihn noch während der Probezeit. «Die Situation damals war sehr schwer für mich», erzählt Zihlmann, «und sicherlich nicht förderlich für den weiteren Verlauf meiner Erkrankung.»

Mehr noch: In der Folge verweigert die Versicherung der Kibag dem Angestellten die Auszahlung der ihm gesetzlich zustehenden Krankentaggelder in Höhe von rund 30'000 Franken. Die Kibag ihrerseits habe es, laut Zihlmann, verpasst, einen adäquaten Versicherungsschutz zu gewährleisten: «Ein klarer Verstoss gegen den «Landesmantelvertrag Bauhauptgewerbe» (LMV), führt er in bestem Juristendeutsch aus. Und tatsächlich: Ein Blick in den LMV zeigt, dass der Versicherungsschutz ab dem Tag «an dem Arbeitnehmende (…) die Arbeit antreten oder hätten antreten sollen» gelte.

Dies bestätigt auch die Unia Bern. Demnach gibt es im LMV klare Regelungen, die den Versicherungsschutz schon in der Probezeit gewährleisten müssen, wie ein Sprecher gegenüber Blick sagt. In der Praxis komme es aber nicht zu Problemen, denn: «Wird der Versicherungsschutz nur ungenügend abgeschlossen, haftet ganz klar das Unternehmen.»

«Es kommt mir vor, als wollten sie mich zermürben»
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Roli Zihlmann (45):«Es kommt mir vor, als wollten sie mich zermürben»

Ein erster Erfolg

Zihlmann engagiert einen Anwalt und erringt einen ersten Teilerfolg. Die Kibag zahlt ihm im Februar 2023 10'000 Franken «Krankentaggeldvorschuss» aus. «Damit konnte ich mich nicht zufriedengeben. Ich habe das Recht auf meiner Seite», so Zihlmann. Das Gesetz sei eindeutig, und die Hinhalterei habe nur den Zweck, ihn mürbezumachen. «Es ist eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung für die Kibag», vermutet Zihlmann. «Wenn in der Probezeit nichts passiert, spart die Kibag Geld ein, wenn doch etwas passiert, winden sie sich um ihre Verantwortung.» Wenn er jetzt einknicke, würde die Rechnung für die Kibag aufgehen.

Eine blosse Verschwörungstheorie eines geprellten Mitarbeiters? Mitnichten! «Der Unia ist dieses Problem bekannt», erklärt der Sprecher «Es gibt eine Tendenz, Mitarbeitende in der Probezeit ungenügend zu versichern. Das ist aber kein Kibag-spezifisches Problem, sondern betrifft die ganze Branche.»

Das sagt die Kibag

Die Unterversicherung während der Probezeit sei der Kibag bewusst gewesen, wie Firmenvertreter im Gespräch mit Blick erklären: «Da wir als Arbeitgeberin aber ohnehin haften, entstehen für die Mitarbeiter keine Nachteile.»

Dass man das Geld bisher nicht ausgezahlt habe, hätte andere Gründe, so die Kibag. Man müsse formal sicherstellen, dass Zihlmann auch wirklich krank sei. «In diesem Fall wollen wir, dass er das Geld bekommt!», versichert die Kibag. Zihlmann habe sich aber wiederholt geweigert, einer vertrauensärztlichen Untersuchung nachzukommen, um sein Leiden bestätigen zu lassen. Man hätte die Summe in diesem Fall sofort ausgezahlt. «Wir hatten Hinweise darauf, dass er beabsichtigte, sich in der Baubranche selbständig zu machen», so die Kibag. «Daher kamen unsererseits Zweifel an seiner Arbeitsunfähigkeit auf, die wir damit aus dem Weg räumen wollten.»

Zihlmann sieht das naturgemäss anders: «Ich habe meine Arztzeugnisse regelmässig geliefert. Mein Leiden wurde wiederholt von unterschiedlichen Ärzten bestätigt.» Woher die Zweifel kämen, könne er daher nicht nachvollziehen. Die Kibag spiele damit wohl auf ein Firmenlogo an, dass er aus Spass designt hat. Selbständig gearbeitet habe er nie.

Auch heute noch leidet Zihlmann und ist zu 100% arbeitsunfähig. Seinen Kampf hat er dennoch nicht aufgegeben. «Es geht mir längst nicht mehr ums Geld, sondern ums Prinzip!» Andere Kollegen, die kein oder kaum Deutsch verstünden, wären solchen Vorgängen hilflos ausgeliefert. Auch deshalb zeigt sich Zihlmann kämpferisch: «Irgendjemand muss sich ja dagegen wehren!» Darum zieht er jetzt auch vor Gericht. Die Verhandlung ist auf Frühling angesetzt.

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