Die Schülerin Kate T.* (†16) starb an einer Überdosis. Sie hatte die Medikamente Sevre-Long und Xanax intus, wobei Ersteres bei ihr gemäss rechtsmedizinischem Gutachten in toxischer Konzentration festgestellt worden ist. Bei Xanax handelt es sich um ein Beruhigungsmittel. Thilo Beck ist Chefarzt Psychiatrie des Zentrums für Suchtmedizin Arud in Zürich und erklärt: «Sevre-Long ist ein Medikament, das Morphin in langwirksamer, retardierter Form enthält. Morphin ist ein Opiat, das zur Behandlung schwerer Schmerzen und zur Behandlung von Menschen mit Opioid-Abhängigkeit eingesetzt wird.»
Sprich: Sevre-Long wird etwa an Heroinsüchtige abgegeben, damit sie kein illegales Heroin mehr brauchen – ähnlich wie Methadon. Solche Medikamente helfen den Patienten, aus dem Beschaffungsstress herauszukommen und sich wieder in die Gesellschaft einzufügen, wie der Mediziner weiter ausführt: «Gut eingestellte Patienten stabilisieren sich unter dieser Behandlung auf eindrückliche Art und Weise psychisch, körperlich und sozial und vermögen unter dieser Behandlung ein normales, integriertes Leben zu führen.»
Mischkonsum ist besonders gefährlich
Diese Medikamente seien aber nicht ungefährlich. Nicht an diese Substanzen gewohnte Personen könnten bei der Einnahme sterben, da diese abhängig von der Dosis die Atmung beeinträchtigen würden. Bei Drogensüchtigen geschehe dies nicht, da ihr Körper durch den regelmässigen Konsum unterschiedlicher Substanzen eine Art Toleranz dafür entwickle – eine tödliche Überdosis durch diese Medikamente allein sei daher fast gar nicht mehr möglich.
Beck betont darum: «Bei nicht ärztlich verschriebener Einnahme müssen Konsumenten also genau informiert sein über die eingenommene Menge und die für nicht tolerante Personen vertretbare maximale Dosis der betreffenden Substanz.» Als besonders risikobehaftet stuft der Chefarzt ein, was bei Kates Obduktion festgestellt wurde: ein Mischkonsum mit anderen sedierenden Substanzen. Gerade Menschen, die noch keinen Gewöhnungseffekt hätten, könnten auf diese Weise zu Tode kommen.
Entwicklung wird genau beobachtet
In den vergangenen Jahren habe der Experte in der Schweiz zwar keinen Anstieg der Weitergabe oder des Verkaufs dieser Medikamente festgestellt, da sich ein grosser Anteil der Betroffenen in stabiler Behandlung befinde. Auch Neueinsteiger in den Heroinkonsum seien in der Schweiz kaum zu beobachten.
Aber: «Wir sehen vereinzelt Jugendliche, die durch von Bekannten, Verwandten oder über das Darknet beschaffte, nicht ärztlich verschriebene opioidhaltige Schmerzmittel eine Opioid-Abhängigkeit entwickeln.» Häufig würden sie zusätzlich auch Beruhigungs- und Schlafmittel konsumieren, genau so wie Kate. Diese Jugendlichen setzten sich hohen Risiken aus, so Thilo Beck: «Wir beobachten diese Entwicklung sehr genau und überprüfen, wie diese Jugendlichen für Beratungs- und Behandlungsangebote besser erreicht werden können.»
* Name bekannt