Amok-Rentner für immer einsperren – oder freilassen?
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Gericht urteilt am Donnerstag:Amok-Rentner für immer einsperren – oder freilassen?

Gericht fällt am Donnerstag Entscheid über Schicksal von Peter Hans Kneubühl (77)
Amok-Rentner für immer einsperren – oder freilassen?

Der Querulant verbreitete Angst und Schrecken: Peter Hans Kneubühl (77) schoss in Biel BE um sich und verletzte einen Polizisten schwer. Seither verweigert er im Knast jede Therapie. Nun urteilt das Obergericht über seine Verwahrung.
Publiziert: 11.02.2021 um 01:18 Uhr
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Peter Hans Kneubühl (77) im Jahr 2013 nach dem Prozess in Biel.
Foto: Keystone
Luisa Ita

Dutzende schwer bewaffnete Polizisten umzingelten im September 2010 das Haus von Peter Hans Kneubühl (77) in Biel BE. Der renitente Senior schoss wild um sich und traf dabei einen Polizisten. Dieser überlebte knapp. Der Amok-Rentner flüchtete, konnte erst neun Tage später gefasst werden. Seither sitzt er hinter Gittern.

Jahrelang verweigerte der 77-Jährige jegliche Therapien und sorgte beispielsweise mit Hungerstreiks für Aufsehen. Daher urteilte das Bieler Regionalgericht im März 2020, der Polizisten-Schreck sei zu verwahren. Doch das liess Kneubühl nicht auf sich sitzen: Er zog vor Obergericht. Sein Ziel: raus aus dem Knast!

Aber am Obergerichtstermin am Mittwoch in Bern glänzt der Amokschütze mit Abwesenheit. Der Schuldunfähige ist sich sicher, dass er Opfer einer Verschwörung ist – und beschimpft das Gericht in seiner schriftlichen Abmeldung als «Lügner». Er betont darin: «Das ist ein Streik!»

Freiheit als logische Konsequenz

Aber der Traum von der Freiheit könnte für Kneubühl bald Realität werden. Sein Verteidiger Sascha Schürch (48) fordert in seinem Plädoyer nämlich die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils. Er begründet es damit, dass von seinem Mandanten keine Gefahr ausgehe. Auch seine schriftlichen Drohungen dürfe man nicht überbewerten: «Seine Waffe ist der Schreibblock und das Bleistift. So reagiert er sich ab.»

Eine Verwahrung sei aus seiner Sicht in diesem Fall nicht verhältnismässig. Er erklärt im Gespräch mit BLICK, dass das in der Folge die Freilassung bedeute: «Wenn das Gericht die Verwahrung abweist, dann haben sie keine andere Wahl, als ihn ziehen zu lassen.»

Betreutes Wohnen wäre eine Option

Zelle aufschliessen und Kneubühl einfach laufen lassen, das sieht Schürch jedoch nicht als Option: «Man müsste ihn halt behutsam an die wiedergewonnene Freiheit heranführen. Er bräuchte sicher Unterstützung.» Dem 48-Jährigen schwebt da beispielsweise ein betreutes Wohnen vor.

Diese Vorstellung ist für den zuständigen Staatsanwalt utopisch. Manus Widmer (39) sagt zu BLICK: «Aus meiner Sicht ist die Verwahrung anzuordnen. Herr Kneubühl hat schwere Delikte begangen.» In seinem Plädoyer macht er zudem deutlich, welche Rückfallgefahr laut Gutachter bis heute vom Amokschützen ausgehen dürfte.

Amok-Rentner weiterhin gefährlich

Ins gleiche Horn bläst Markus D'Angelo (54), der Anwalt der bernischen Bewährungs- und Vollzugsdienste. Er warnt: «Unserer Meinung nach geht von Herrn Kneubühl eine grosse Gefahr für schwerste Gewaltdelikte aus und er ist nicht therapierbar.»

In die Freiheit komme Kneubühl aber sowieso nicht so leicht, meint D'Angelo. Auch wenn die Verwahrung endgültig abgewiesen würde, gäbe es Möglichkeiten, den verurteilten Mann weiter festzuhalten. «Eine Option ist beispielsweise, dass man erneut eine Massnahme anordnet, obwohl diese ja schon einmal aufgehoben wurde. Je nachdem kommt ein Gericht zum Urteil, dass man es nochmals versuchen sollte», erklärt der 54-Jährige.

Das Urteil des Berner Obergerichts fällt am Donnerstagmorgen.

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