Wieder hat es Brienz BE getroffen. Das Unwetter am Montagabend sorgte in der gesamten Schweiz für Schäden, am schwersten betroffen ist allerdings die Gemeinde im Berner Oberland. Ein Bild der Verwüstung zeigte sich am Tag nach dem Unwetter.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Gemeinde am Brienzer See heftig von Unwettern getroffen wird. Heftige Regenfälle lösten im August 2005 eine Schlammlawine aus. Die Folge: Schäden in Millionenhöhe und zwei Tote! Die Behörden reagierten, doch konnte eine erneute Katastrophe offenbar nicht verhindert werden. Warum?
80 Millionen investiert und wieder Schäden
Nach 2005 wurde viel Geld in den Hochwasserschutz investiert, in Brienz wurden rund 80 Millionen Franken verbaut. Etwa wurden der Glyssibach und der Trachtbach auf bis zu 20 Meter verbreitert, zudem kann nun die Brücke über dem Trachtbach verschoben werden, um Geröll zu lenken. Erst 2017 wurde am Milibach ein Geschiebesammler fertigstellt.
Doch dessen Fassungsvermögen von rund 12’000 Kubikmeter erwies sich am Montag als zu klein, das Geröll bahnte sich einen Weg durchs Dorf. Zwei Personen wurden verletzt, 70 Personen mussten aus ihrem Zuhause evakuiert werden. Trotz all der Massnahmen hat sich die Katastrophe von vor 20 Jahren wiederholt. Zum Glück sind dieses Mal keine Toten zu beklagen.
Doch warum haben die teuren Schutzmassnahmen versagt? Peter Mani (70) ist Experte für Naturgefahren. Er war gemeinsam mit anderen Spezialisten 2005 in Brienz vor Ort, um die Situation nach der Katastrophe zu analysieren. «Wir haben damals über die besten Massnahmen diskutiert. Gerade die Verhältnisse am Milibach waren schwierig, weil es dort so wenig Platz gibt», sagt er auf Anfrage von Blick. «Aus meiner Sicht haben die Verantwortlichen mit dem Geschiebesammler aber das Bestmögliche umgesetzt.»
Massnahmen haben laut Kanton Schlimmeres verhindert
So sieht das auch Markus Wyss (63), Kreisoberingenieur des Kantons Bern. Der Schutz von Menschen habe oberste Priorität – danach müssten aber einige Abstriche gemacht werden. «Eine absolute Sicherheit ist weder technisch noch finanziell möglich. Wir müssen akzeptieren, dass es auch an Orten mit Schutzmassnahmen zu Schadensereignissen kommen kann.»
Die Massnahmen in Brienz haben demnach genau das getan, was sie sollten und konnten. So gab es laut Wyss seit 2005 weder am Trachtbach, noch am Glyssibach grössere Murgangereignisse. Zur aktuellen Situation mit dem Milibach sagt er: «Stellen Sie sich vor, wie viel mehr Geröll ins Dorf geflossen wäre, wenn es den Geschiebesammler nicht gäbe.»
Experte: «Schutzbauten überlastet, aber nicht versagt»
Das bestätigt Davood Farshi (53), Leiter Kompetenzbereich Wasserbau an der Ostschweizer Fachhochschule. Zum Milibach-Geschiebesammler sagt er: «Die Mauer hat standgehalten. Das zeigt, dass die Schutzbauten zwar überlastet wurden, aber nicht versagt haben.» Auch er betont das Restrisiko: «Die Planung solcher Schutzmassnahmen sind gerade bei Murgangereignissen oft sehr komplex und schwer abzuschätzen.»
Das heisst für Wyss aber nicht, dass die Massnahmen in Brienz automatisch ausreichend sind. Gemeinsam mit der Gemeinde und Experten sollte nun eine Ereignisanalyse durchgeführt werden, um folgende Fragen zu beantworten: «Was für ein Murgangereignis ist am Montag passiert und warum?» und «Was kann in Zukunft im Milibach noch passieren?». Je nach Ergebnis könnten am Milibach zusätzliche Massnahmen folgen.