«Ich bin unfassbar traurig über diesen Unfall»
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Markus Wolf, CEO Weisse Arena:«Ich bin unfassbar traurig über diesen Unfall»

Behörden ermitteln nach Luftseilbahn-Unfall in Laax GR wegen fahrlässiger Tötung – Insider packt aus
Heftige Vorwürfe nach Lehrlings-Drama

Vierzig Meter stürzte ein Lernender (†17) am Montag in Laax GR in die Tiefe. Er wollte Wartungsarbeiten auf der Stütze einer Gondelbahn vornehmen. Ein Ex-Mitarbeiter des Bahn-Unternehmens packt nun im Gespräch mit Blick über «jahrelange Missstände» aus.
Publiziert: 21.12.2022 um 19:25 Uhr
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Aktualisiert: 22.12.2022 um 08:28 Uhr
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Arbeitsunfall in Laax: Ein 17-jähriger Lernender stürzte von einer Plattform auf eine Kabine und danach in die Tiefe.
Foto: KAPO GRAUBUENDEN
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Luisa ItaRedaktorin «Food»

Er hätte das Leben noch vor sich gehabt: Am Montag verunglückte ein Lernender (†17) bei Unterhaltsarbeiten an einer Gondelbahn in Laax GR tödlich. Gemäss ersten Erkenntnissen befand sich der Bergbahn-Stift im zweiten Ausbildungsjahr, laut Blick-Informationen war er gemeinsam mit einem zweiten Lernenden auf der Stütze 2 der Luftseilbahn Laax–Crap Sogn Gion.

Die beiden sollen mit Schmierarbeiten an den Seil-Sätteln beschäftigt gewesen sein, als der Teenager um 14.30 Uhr von einer Gondel, die bergwärts fuhr, erfasst und so von der Arbeitsplattform gerissen wurde. Er stürzte 40 Meter in den Tod.

Sicherheitsbedenken ignoriert?

Dass nicht schon viel früher etwas derart Schlimmes passiert ist, verwundert einen ehemaligen Mitarbeiter der Weissen Arena Gruppe. Er meldet sich nach der Tragödie bei Blick und erzählt: «Ich habe immer wieder meine Sicherheitsbedenken geäussert, wurde aber nicht ernst genommen!»

Genau das, was nun am Montag passiert sei, habe er schon immer prophezeit. «Diese Schmierarbeiten, die von zwei Lehrlingen ausgeführt wurden, sind brandgefährlich», führt der Mann aus, der viele Jahre Erfahrung als Luftseilbahnmaschinist hat. «Schon als ich noch für die Weisse Arena Gruppe gearbeitet habe, wollte der technische Leiter diese Schmutz-Arbeit den Stiften allein übertragen», führt er aus. «Aber ich hatte dabei nie ein gutes Bauchgefühl und habe, wenn immer es mir möglich war, die Lernenden auf die Stütze begleitet und sie beaufsichtigt.»

Verfahren wegen fahrlässiger Tötung eröffnet

Das Problem sei, dass man die Schmierarbeiten an den Seil-Sätteln bloss unter Belastung ausführen könne. «Ist man vertieft in die Arbeit und bemerkt nicht, wenn sich die Gondel nähert, dann passiert genau das, was am Montag passiert ist», erzählt der Ex-Mitarbeiter. «Aus meiner Sicht müsste immer eine ausgebildete Fachperson bei solchen Arbeiten dabei sein. Zwei Lehrlinge allein auf die Stütze zu schicken, ist grobfahrlässig.»

Wie Blick-Recherchen zeigen, hat die Bündner Staatsanwaltschaft nach der Tragödie ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung eröffnet. Dieses richtet sich gegen zwei Mitarbeiter der Weisse Arena Gruppe. Um wen es sich bei den Beschuldigten handelt, gibt die Behörde nicht bekannt.

Zweites Strafverfahren noch hängig

Der Ex-Mitarbeiter ist aber überzeugt, dass es sich bei einem von beiden um den Lehrlingsverantwortlichen handeln muss. Dieser sei bereits in ein zweites Strafverfahren verwickelt. Der Grund: Im Januar 2022 ereignete sich auf der gleichen Seilbahn ein Gondel-Unglück. Ein Maschinist hängte damals offenbar zu viel Last unter die Gondelkabine – diese hing anschliessend so tief, dass die Ladung zuerst Tannenkronen absäbelte und dann an einer erhöhten Stelle den Boden pflügte. Ein Mädchen verletzte sich leicht.

Die Staatsanwaltschaft bestätigt auf Blick-Anfrage, dass ein Verfahren aufgrund des Gondelunglücks vom Januar hängig sei. Gegenstand davon sei die «Beseitigung oder Nichtanbringung von Sicherheitsvorrichtungen». Jedoch hält sich die Behörde auch hier bedeckt, um wen es sich bei den insgesamt vier Beschuldigten handelt.

Werden Köpfe rollen?

Für den langjährigen Ex-Angestellten ist klar: «Schon nach dem Vorfall im Januar hätten Köpfe rollen müssen – und jetzt sowieso!»

Die Weisse Arena Gruppe weist die Vorwürfe auf Blick-Anfrage von sich: Lernende würden im Rahmen ihrer Ausbildung dazu befähigt, solche Arbeiten selbständig auszuführen. Der Vorfall im Januar 2022 habe keinen Zusammenhang mit dem tödlichen Arbeitsunfall. Personalrechtliche Massnahmen seien seither noch keine getroffen worden, da die Ergebnisse der Unfalluntersuchung von der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) noch nicht vorliegen würden.

«Kein Fehlverhalten erkennbar»

Beim technischen Leiter, der zuständig sei für die Lehrlingsausbildung, sei «aufgrund der heute bekannten Fakten kein Fehlverhalten erkennbar». Jedoch räumt der Luftseilbahnbetrieb ein: «Sollten aus den Untersuchungen wider Erwarten andere Erkenntnisse zutage treten, würde eine Neubeurteilung erfolgen müssen.»

Der Branchenverband Seilbahnen Schweiz habe nach einem der letzten Ereignisse eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die «Optimierungen im Bereich der Sicherheitskonzepte» erarbeite.


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