«Es gab Argumente, die wurden beiseite gewischt»
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Anwalt meldet Berufung an:«Es gab Argumente, die wurden beiseite gewischt»

Urteil gegen Ex-Hells-Angel
Ertan Y. (36) muss 12 Jahre und 10 Monate ins Gefängnis

Ex-Hells-Angel Ertan Y. steht in Basel vor dem Strafgericht. Am Donnerstagnachmittag verkündeten die Richter das Urteil. Y. kassiert 12 Jahre und 10 Monate Knast. Unter anderem spricht ihn das Gericht wegen mehrfacher Vergewaltigung schuldig.
Publiziert: 30.05.2024 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 30.05.2024 um 22:58 Uhr
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Ex-Hells-Angel Ertan Y.* (36) steht seit Mitte Mai wegen diverser Vorwürfe vor dem Basler Strafgericht.
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Qendresa LlugiqiReporterin News
30.05.2024, 18:01 Uhr

Ende

Jetzt ist die Verhandlung geschlossen.

30.05.2024, 17:59 Uhr

Bereits Berufung angemeldet!

Kurz bevor der Richter die Verhandlung schliesst, meldet der Anwalt von Ertan Y. schon Berufung an.

30.05.2024, 17:56 Uhr

Eine Uhr wollten Yakin und Embolo

Gemäss dem Richter konnte Yakin glaubwürdig belegen, weshalb drei Uhren an ihn zurücksollen. «Es konnte ausgeschlossen werden, dass diese aus Delikten stammen.» 

Speziell: An einer Uhr haben sowohl Embolo als auch Yakin Anspruch erhoben. Das Gericht habe aber entschieden, diese vorerst Embolo zuzusprechen. Das Geld in Höhe von rund 150'000 Franken aus dem Verkauf von zwei weiteren Uhren – die Ertan Y. bereits vertickt hat – kriegt Yakin nicht zugesprochen. Die beschlagnahmten 320 000 Franken sollen etwa dazu verwendet werden, um die 12 000 Franken Genugtuung an das Mädchen zu zahlen.

Das Gericht begründet auch, weshalb eine Uhr nicht an einen weiteren Mann zurückgeht, der ebenfalls Ansprüche gemeldet hat. «Hier konnte nicht glaubwürdig belegt werden, woher die Uhr stammt. Speziell sei auch: Obwohl der Mann eigentlich in Deutschland wohne, wären seine Schreiben jeweils von der Schweiz aus ans Gericht gesendet worden.

30.05.2024, 17:54 Uhr

«Gefahr für Öffentlichkeit»

Es gebe einige Katalogstraftaten, weshalb obligatorisch ein Landesverweis erfolge. Der Richter findet: «Sie sind eine Gefahr für die Öffentlichkeit.»

30.05.2024, 17:52 Uhr

Weitere Schuld- und Freisprüche

Bezüglich der gefälschten Covid-Zertifikaten sei er kein Mittäter – diesbezüglich deshalb ein Freispruch. Schuldig sei er jedoch bezüglich Anstiftung zur Urkundenfälschung.

Im Punkt illegaler Waffenbesitz sei Ertan Y. geständig.

Im Punkt Fälschen von Ausweisen werde Ertan Y. freigesprochen.

30.05.2024, 17:35 Uhr

Zusammenhang zum Verhafteten Kemal Z.

Im Punkt illegales Geldspiel erstellt der Richter jetzt den Zusammenhang zu Kemal Z., der gemäss einer Meldung der Kantonspolizei Zürich Mitte September 2023 mit weiteren Personen festgenommen worden ist. Wie die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft auf Blick-Anfrage am Mittwoch bestätigte: Kemal Z. sitzt weiterhin in Haft und wartet auf seinen Prozess. Kemal Z. steht im Verdacht, der Betreiber von illegalen Glücksspielseiten wie solobet.com zu sein und schwere Geldwäsche betrieben zu haben.

Ertan Y. habe auf die Bezahlkarten Antepay (von Anfang 2019 bis Anfang 2021) und den Nachfolger Gecko Card (mind. seit 2021) gesetzt. Auch er liess Spieler über solobet.com und contobet.com spielen. Dies in Zusammenarbeit mit den Betreibern von verschiedenen Shops. Die Seiten wurden bis zu seiner Verhaftung aufgerufen.

In der Anklage heisst es hierzu: Der Angeklagte handelte als Mitglied einer Bande. Ertan Y. administrierte mehrere Shops auf Solobet.com.

In diesem Punkt sei Ertan Y. im Grossen und Ganzen geständig. Ein Freispruch erfolgt jedoch bezüglich der Geldwäscherei.

30.05.2024, 17:28 Uhr

Nie Geld erhalten

Der Richter geht auf die Aussage des Verteidigers während des Plädoyers ein: Es müsse mit «Nachdruck» weggewiesen werden, dass das Mädchen den sexuellen Handlungen aufgrund des Geldes zugestimmt habe. «Ertan Y. hat selbst erklärt, dass sie nie Geld erhalten hat.»

30.05.2024, 17:15 Uhr

«Zuckerbrot und Peitsche»

Der Richter geht auf die einzelnen Punkte ein. 

So erklärt er zur Geldwäscherei: Ohne Ertan Y. hätte hier nichts funktioniert. So sei er auch stets bei Problemen kontaktiert worden.

Zu den Geschehnissen im Waaghof: Durch die Kameras sei klar festgehalten, dass sich weder Ertan Y. noch die beschuldigte Gefängniswärterin rechtens verhalten hätten.

Zum Kontakt zur 14-Jährigen: «Sie haben kontinuierlich Druck auf sie ausgeübt.» Ertan Y. habe hier mit «Zuckerbrot und Peitsche» gehandelt – bis er bekommen habe, was er wollte. Hier sei ausserdem verwerflich, dass er bezüglich Handlungen mit Kindern bereits vorbestraft sei. Der Richter bezeichnet das Handeln von Ertan Y. als «widerwärtig».

Der Richter geht auf die Aufnahmen ein: Die Bilder würden ganz klar zeigen, dass Ertan Y. mit Kindern Kontakt hatte. Das zeige auch das Kinderzimmer. Der Richter ist sich sicher: Ertan Y. wollte auch die zehnjährige Schwester in den Kontakt einbeziehen.

Auch auf den sexuellen Kontakt geht der Richter ein: Eigentlich habe es durch die Chat-Nachrichten bereits ein Drehbuch gegeben. Es sei hier nicht um Lust gegangen, die Bewegungen des Mädchens seien mechanisch. Der Beschuldigte grinse auf den Aufnahmen, das Mädchen nicht. 

Der Richter geht dann auch auf den psychischen Druck ein: Er habe dem Mädchen gedroht, es mit möglichen Geschenken und anderen Versprechen gelockt usw. «Sie haben weitergemacht, bis Sie bekommen haben, was Sie wollten.»

Sowieso habe ein mächtiges Machtgefälle geherrscht: Nicht nur durch Körperbau und Grösse, sondern auch durch das Alter: Das Mädchen war 14, er 30.

Als es um die 14-Jährige geht, schaut Ertan Y. irgendwann nach hinten rechts zu seinem Anwalt und will dem Richter widersprechen. Doch sein Anwalt winkt ab. 

30.05.2024, 16:44 Uhr

Dynamische Bewegungen

Jetzt kommt der Richter auf die beschuldigte Gefängniswärterin zu sprechen: «Die Bewegungen, die man in der Spiegelung sieht, sind dynamisch und lassen sich der sexuellen Handlungen zuschreiben.» Der Richter spricht hier ein Video an, auf dem eine Spiegelung an der offenen Gefängnistüre zu sehen ist.

Ausserdem mache ihre Aussage keinen Sinn, dass sie dem Beschuldigten beim Schreiben von Liebesbriefen geholfen habe: «Sie sind in Ihrer Muttersprache – Französisch – flüssiger. Der Beschuldigte ist in der Deutschen Sprache sehr sicher. Wieso sollten Sie ihm helfen?»

Der Richter hält weiter fest, dass auch die Aussagen ihrer besten Freundin glaubwürdig seien. Ausserdem gibt es einen regen Nachrichtenverkehr zwischen ihr und dem Beschuldigten.

30.05.2024, 16:27 Uhr

Yakin und Embolo kriegen Uhren zurück

Spannend: Nati-Trainer Murat Yakin erhält seine Uhren zurück, sowie Nati-Star Breel Embolo. Nicht aber ein anderer Mann (wohnhaft in Deutschland), der ebenfalls Eigentumsansprüche an eine Uhr gestellt hat. Der Grund: Hier sei unklar, woher die Uhr stamme.

Yakins Uhren sollen folgende sein: Rolex DayDate, eine Uhr von Carl F. Bucherer (liege samt Schachtel vor) und eine Breitling.

Auch Embolo erhält seine Rolex Daytona zurück.

Weitere Wertgegenstände sowie Bargeld werden eingezogen. Weiter muss Ertan Y. 300'000 Franken als Ersatzforderung an den Staat entrichten. Aus dem beschlagnahmten Geld sollen auch die 12'000 Franken an das Mädchen als Genugtuung fliessen.

Es geht um Waffen, Drogen, Mord und illegale Einwanderung sowie terroristisches Wirken – und doch erregte die Meldung von vergangenem Mittwoch keine grosse Aufmerksamkeit: Eine gemeinsame Task-Force von italienischen Strafverfolgungsbehörden und Interpol haben im Rahmen einer länderübergreifenden Razzia gegen eine türkische kriminelle Organisation 19 Verdächtige – darunter 17 Türken – festgenommen und zahlreiche Waffen sichergestellt. Laut der Bundesanwaltschaft haben Schweizer Behörden an der Razzia mitgewirkt. Das Resultat: zwei Verhaftungen, eine im Kanton Zürich, die andere im Kanton Aargau. Die beiden Männer befinden sich seither in Auslieferungshaft. Jetzt zeigen Blick-Recherchen: Hinter der unscheinbaren Meldung verbergen sich spannende Verbindungen zur internationalen Crime-Prominenz – mitunter zu Ex-Hells-Angel Ertan Y.* (36), der sich seit Mitte Mai vor dem Basler Strafgericht wegen diverser Straftaten verantworten muss.

Ertan Y. führte bis zu seiner Verhaftung Mitte Juni 2021 ein Leben in Saus und Braus. Er kennt die halbe Schweizer Fussball-Nati – mehrere Spieler gratulierten ihm gar zum Geburtstag – sowie deutschsprachige Rap-Stars und andere Sternchen. Während der U-Haft soll er sich Sex und sonstige Gefälligkeiten gegönnt haben. Doch jetzt könnte Ertan Y. für eine längere Zeit im Gefängnis landen. Die Vorwürfe: millionenschwerer Anlagebetrug, Geldwäscherei, illegales Geldspiel sowie Kindesmissbrauch. Die Staatsanwaltschaft fordert insgesamt 16 Jahre Freiheitsstrafe. Am Donnerstag um 16 Uhr soll das Urteil folgen.

Freunde von Ertan Y. und Kemal Z.

Bereits während des Prozesses zeigte sich, dass Ertan Y. einige Schwerkriminelle seine Freunde nennt. Gemäss Blick-Recherchen gehören auch die beiden aktuell verhafteten Männer – Mazlum A.* (40) aus dem Raum Zürich sowie Nazmi B.* (37) aus dem Fricktal im Kanton Aargau – zu seinen Bekannten: Beiden Männern werden in Italien verschiedene Delikte vorgeworfen, insbesondere Verstösse gegen das Waffengesetz. Beide werden mit der schwerkriminellen Gang rund um den türkischen Mafioso Baris Boyun in Zusammenhang gebracht, der sich bis kurz vor seiner Verhaftung im August 2022 ebenfalls in der Schweiz aufhielt. Im April 2023 wurde Boyun aus der Haft entlassen und stand seither unter Hausarrest – bis zur Razzia vom 22. Mai 2024.

Weiter sind die beiden in der Schweiz Verhafteten Freunde von Kemal Z.* (44), einem mutmasslichen Glücksspiel-Kriminellen, der gemäss einer Meldung der Kantonspolizei Zürich Mitte September 2023 zusammen mit weiteren Personen festgenommen wurde. Er sitzt noch in Haft und wartet auf seinen Prozess, wie Kommunikationsleiter Erich Wenzinger von der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft auf Blick-Anfrage bestätigt. Die drei Männer sind auf gemeinsamen Fotos zu sehen – so etwa an der Hochzeit von Nazmi B., an der Kemal Z. die Rolle des Trauzeugen einnahm.

Kemal Z. steht im Verdacht, der Betreiber von illegalen Glücksspielseiten wie solobet.com zu sein und schwere Geldwäsche betrieben zu haben. Für die Spieler soll gar eigens die dubiose Bezahlkarte Antepay entwickelt worden sein, wie Recherchen von Reflekt und SRF Investigativ zeigten. Auch der bei der Razzia verhaftete Mazlum A. soll mitgemischt haben. Solche Bezahlkarten fanden die Ermittler auch bei der Festnahme von Ertan Y. vor. Sie sind in der 52-seitigen Anklageschrift unter den beschlagnahmten Gegenständen gelistet. Ertan Y. erwähnt die beiden Männer gar in einer Instagram-Story von Ende Dezember 2019.

Yakins Luxus-Uhren und der Ex-Hells

Der Fall von Ertan Y. schlug bereits vor Prozessbeginn hohe Wellen: So liess er gemäss Anklage unter anderem für Nati-Star Breel Embolo gefälschte Covid-Zertifikate durch eine Jugend-Freundin in einem Labor erstellen. Auch sorgte ein Selfie von Nati-Trainer Murat Yakin, das der Beschuldigte Ertan Y. Anfang Januar 2020 auf seinen Instagram-Account publizierte, für Spekulationen. Unter anderem darauf zu sehen: die beiden mutmasslichen Kriminellen Ertan Y. und Kemal Z. sowie Murat Yakin, der damals noch Trainer des FC Schaffhausen war.

Mit dem Selfie konfrontiert, gab Yakin Ende April an, den Beschuldigten Ertan Y. nur flüchtig zu kennen. So sagte Yakin gegenüber der «Schweiz am Wochenende»: «Diese Person ist mir aus früherer Zeit bekannt, das Bild stammt aus dem Jahr 2020.» Ertan Y. habe damals aktiv den Kontakt zu Spielern und Trainern gesucht, so sei dieses Bild entstanden.

Inzwischen ist klar: Yakin geschäftete mit Ertan Y. Dies wurde ganz unerwartet am ersten Prozess-Tag aufgedeckt, als der Anwalt von Yakin vor dem Basler Strafgericht Uhren zurückforderte, die bei der Festnahme von Ertan Y. in der Wohnung seiner Mutter ebenfalls beschlagnahmt wurden.

In einem Interview mit der «NZZ» vom vergangenen Samstag präsentiert sich Yakin als ahnungsloser Geschädigter und präzisiert: Im Jahr 2020 hat er dem Beschuldigten sechs Luxus-Uhren überlassen, die dieser verkaufen sollte. Zwei davon soll Ertan Y. bereits vertickt haben. Deren Wert: rund 150'000 Franken. Geld, das nun zu Yakin fliessen soll. Der Schweizer Fussball-Natitrainer beteuert: Er habe weder mit den vorgeworfenen Verfehlungen gegen den Hauptbeschuldigten noch mit den Hells Angels etwas zu tun gehabt.

* Namen geändert 

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