Ende
Jetzt ist die Verhandlung geschlossen.
Bereits Berufung angemeldet!
Kurz bevor der Richter die Verhandlung schliesst, meldet der Anwalt von Ertan Y. schon Berufung an.
Eine Uhr wollten Yakin und Embolo
Gemäss dem Richter konnte Yakin glaubwürdig belegen, weshalb drei Uhren an ihn zurücksollen. «Es konnte ausgeschlossen werden, dass diese aus Delikten stammen.»
Speziell: An einer Uhr haben sowohl Embolo als auch Yakin Anspruch erhoben. Das Gericht habe aber entschieden, diese vorerst Embolo zuzusprechen. Das Geld in Höhe von rund 150'000 Franken aus dem Verkauf von zwei weiteren Uhren – die Ertan Y. bereits vertickt hat – kriegt Yakin nicht zugesprochen. Die beschlagnahmten 320 000 Franken sollen etwa dazu verwendet werden, um die 12 000 Franken Genugtuung an das Mädchen zu zahlen.
Das Gericht begründet auch, weshalb eine Uhr nicht an einen weiteren Mann zurückgeht, der ebenfalls Ansprüche gemeldet hat. «Hier konnte nicht glaubwürdig belegt werden, woher die Uhr stammt. Speziell sei auch: Obwohl der Mann eigentlich in Deutschland wohne, wären seine Schreiben jeweils von der Schweiz aus ans Gericht gesendet worden.
«Gefahr für Öffentlichkeit»
Es gebe einige Katalogstraftaten, weshalb obligatorisch ein Landesverweis erfolge. Der Richter findet: «Sie sind eine Gefahr für die Öffentlichkeit.»
Weitere Schuld- und Freisprüche
Bezüglich der gefälschten Covid-Zertifikaten sei er kein Mittäter – diesbezüglich deshalb ein Freispruch. Schuldig sei er jedoch bezüglich Anstiftung zur Urkundenfälschung.
Im Punkt illegaler Waffenbesitz sei Ertan Y. geständig.
Im Punkt Fälschen von Ausweisen werde Ertan Y. freigesprochen.
Zusammenhang zum Verhafteten Kemal Z.
Im Punkt illegales Geldspiel erstellt der Richter jetzt den Zusammenhang zu Kemal Z., der gemäss einer Meldung der Kantonspolizei Zürich Mitte September 2023 mit weiteren Personen festgenommen worden ist. Wie die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft auf Blick-Anfrage am Mittwoch bestätigte: Kemal Z. sitzt weiterhin in Haft und wartet auf seinen Prozess. Kemal Z. steht im Verdacht, der Betreiber von illegalen Glücksspielseiten wie solobet.com zu sein und schwere Geldwäsche betrieben zu haben.
Ertan Y. habe auf die Bezahlkarten Antepay (von Anfang 2019 bis Anfang 2021) und den Nachfolger Gecko Card (mind. seit 2021) gesetzt. Auch er liess Spieler über solobet.com und contobet.com spielen. Dies in Zusammenarbeit mit den Betreibern von verschiedenen Shops. Die Seiten wurden bis zu seiner Verhaftung aufgerufen.
In der Anklage heisst es hierzu: Der Angeklagte handelte als Mitglied einer Bande. Ertan Y. administrierte mehrere Shops auf Solobet.com.
In diesem Punkt sei Ertan Y. im Grossen und Ganzen geständig. Ein Freispruch erfolgt jedoch bezüglich der Geldwäscherei.
Nie Geld erhalten
Der Richter geht auf die Aussage des Verteidigers während des Plädoyers ein: Es müsse mit «Nachdruck» weggewiesen werden, dass das Mädchen den sexuellen Handlungen aufgrund des Geldes zugestimmt habe. «Ertan Y. hat selbst erklärt, dass sie nie Geld erhalten hat.»
«Zuckerbrot und Peitsche»
Der Richter geht auf die einzelnen Punkte ein.
So erklärt er zur Geldwäscherei: Ohne Ertan Y. hätte hier nichts funktioniert. So sei er auch stets bei Problemen kontaktiert worden.
Zu den Geschehnissen im Waaghof: Durch die Kameras sei klar festgehalten, dass sich weder Ertan Y. noch die beschuldigte Gefängniswärterin rechtens verhalten hätten.
Zum Kontakt zur 14-Jährigen: «Sie haben kontinuierlich Druck auf sie ausgeübt.» Ertan Y. habe hier mit «Zuckerbrot und Peitsche» gehandelt – bis er bekommen habe, was er wollte. Hier sei ausserdem verwerflich, dass er bezüglich Handlungen mit Kindern bereits vorbestraft sei. Der Richter bezeichnet das Handeln von Ertan Y. als «widerwärtig».
Der Richter geht auf die Aufnahmen ein: Die Bilder würden ganz klar zeigen, dass Ertan Y. mit Kindern Kontakt hatte. Das zeige auch das Kinderzimmer. Der Richter ist sich sicher: Ertan Y. wollte auch die zehnjährige Schwester in den Kontakt einbeziehen.
Auch auf den sexuellen Kontakt geht der Richter ein: Eigentlich habe es durch die Chat-Nachrichten bereits ein Drehbuch gegeben. Es sei hier nicht um Lust gegangen, die Bewegungen des Mädchens seien mechanisch. Der Beschuldigte grinse auf den Aufnahmen, das Mädchen nicht.
Der Richter geht dann auch auf den psychischen Druck ein: Er habe dem Mädchen gedroht, es mit möglichen Geschenken und anderen Versprechen gelockt usw. «Sie haben weitergemacht, bis Sie bekommen haben, was Sie wollten.»
Sowieso habe ein mächtiges Machtgefälle geherrscht: Nicht nur durch Körperbau und Grösse, sondern auch durch das Alter: Das Mädchen war 14, er 30.
Als es um die 14-Jährige geht, schaut Ertan Y. irgendwann nach hinten rechts zu seinem Anwalt und will dem Richter widersprechen. Doch sein Anwalt winkt ab.
Dynamische Bewegungen
Jetzt kommt der Richter auf die beschuldigte Gefängniswärterin zu sprechen: «Die Bewegungen, die man in der Spiegelung sieht, sind dynamisch und lassen sich der sexuellen Handlungen zuschreiben.» Der Richter spricht hier ein Video an, auf dem eine Spiegelung an der offenen Gefängnistüre zu sehen ist.
Ausserdem mache ihre Aussage keinen Sinn, dass sie dem Beschuldigten beim Schreiben von Liebesbriefen geholfen habe: «Sie sind in Ihrer Muttersprache – Französisch – flüssiger. Der Beschuldigte ist in der Deutschen Sprache sehr sicher. Wieso sollten Sie ihm helfen?»
Der Richter hält weiter fest, dass auch die Aussagen ihrer besten Freundin glaubwürdig seien. Ausserdem gibt es einen regen Nachrichtenverkehr zwischen ihr und dem Beschuldigten.
Yakin und Embolo kriegen Uhren zurück
Spannend: Nati-Trainer Murat Yakin erhält seine Uhren zurück, sowie Nati-Star Breel Embolo. Nicht aber ein anderer Mann (wohnhaft in Deutschland), der ebenfalls Eigentumsansprüche an eine Uhr gestellt hat. Der Grund: Hier sei unklar, woher die Uhr stamme.
Yakins Uhren sollen folgende sein: Rolex DayDate, eine Uhr von Carl F. Bucherer (liege samt Schachtel vor) und eine Breitling.
Auch Embolo erhält seine Rolex Daytona zurück.
Weitere Wertgegenstände sowie Bargeld werden eingezogen. Weiter muss Ertan Y. 300'000 Franken als Ersatzforderung an den Staat entrichten. Aus dem beschlagnahmten Geld sollen auch die 12'000 Franken an das Mädchen als Genugtuung fliessen.
Er führte ein Leben in Saus und Braus, kennt die halbe Schweizer Fussball-Nati sowie deutschsprachige Rap-Stars und andere Sternchen und gönnte sich auch während der U-Haft Sex und sonstige Gefälligkeiten: Doch jetzt könnte Ex-Hells Angel Ertan Y.* (36) für eine längere Zeit im Gefängnis landen. Der Basler mit türkischen Wurzeln muss sich ab Montag wegen diverser Vorwürfe vor dem Basler Strafgericht verantworten.
Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt: Bis zu seiner Haft Mitte Juni 2021 finanzierte Ertan Y. sein Luxusleben mit dem Geld von anderen. Dieses soll er sich durch grossangelegten Anlagebetrug einer international organisierten Gruppierung angeeignet haben. Der Schaden: über 3,6 Millionen Euro und 79 Opfer.
Geld soll auch durch organisiertes, illegales Glücksspiel in seine Taschen geflossen sein. Weitere Vorwürfe: Kindesmissbrauch, Urkundenfälschung und Bestechung von zwei Gefängnisaufsehern. Die beiden werden sich ab Montag ebenfalls vor Gericht verantworten müssen.
Rapper und Fussballer
Blick berichtete bereits Ende März über Ertan Y. – ein führendes Ex-Mitglied der Basler Hells Angels. Auf seinem Instagram-Kanal präsentiert er sich als erfolgreicher und hart arbeitender Geschäftsmann, verlinkt dort eine Schweizer Spielerberater-Agentur. Auf einem Foto ist der Beschuldigte Anfang Mai 2020 in einem Büro voller Fussball-Trikots zu sehen. In seinen Hashtags ist die Firma aufgelistet. Zudem ist er auf Fotos mit dem Inhaber zu sehen. Auf Blick-Anfrage wollte Letzterer jedoch keine Stellung nehmen.
Sowieso scheint der Basler ein Flair für den Fussball zu haben: So zeigt er sich auf Instagram mit Nati-Star Breel Embolo und Ragip Xhaka – dem Papa von Granit und Taulant Xhaka. Zum Geburtstag gratulieren ihm per Video neben Embolo die Nati-Stars Granit Xhaka und Manuel Akanji. Auch in der Musikszene scheint er Leute zu kennen: Die Schweizer Rapperin Loredana sowie ihr Ex-Mann Mozzik und dessen Bruder Getinjo – beide erfolgreiche kosovarische Rapper – gratulieren ihm ebenfalls per Video zum Geburtstag. Weiter zeigt er sich mit dem deutschen Rapper Mero in den Ferien.
Eine der Fussballbekanntschaften erscheint auch in der Anklageschrift: Breel Embolo. Gemäss Staatsanwaltschaft soll der Nati-Star im Februar 2021 zweimal gefälschte Covid-Reisezertifikate beim Beschuldigten bestellt haben, die bescheinigen, dass der Covid-Test negativ ausgefallen sei.
Internationaler Betrug
Ein weiterer Anklagepunkt aus der langen Vorwurfsliste: sexuelle Handlungen mit Kindern. So soll Ertan Y. ab Anfang 2018 eine damals 14-Jährige so manipuliert haben, dass sie ihm Nacktaufnahmen von sich und ihrer damals 10-jährigen Schwester schickte. Die soll er dann genutzt haben, um sie weiter unter Druck zu setzen, indem er ihr drohte, diese auf Social Media mit ihren Daten zu streuen. Auch soll er das Mädchen zu sexuellen Handlungen genötigt haben. Die Kommunikation zwischen den beiden liegt der Staatsanwaltschaft in Form von Chatverläufen vor.
Weiter muss sich Ertan Y. für das Luxusleben innerhalb der Gefängnismauern verantworten. Ihm wird hier etwa Bestechung vorgeworfen. Er soll zwei Ex-Mitarbeiter der Securitas AG für seine Dienste benutzt haben. So liess er sich von dem männlichen Angestellten Handys gegen Geld ins Gefängnis schmuggeln. Mit der weiblichen Angestellten hatte er Sex. Hierfür versprach er ihr Geld, teure Geschenke und luxuriöse Ferien. Auch die beiden sind als Beschuldigte in diesem Prozess vorgeladen.
Laut Staatsanwaltschaft ging dieses Strafverfahren weit über den üblichen Rahmen von Ermittlungs- und Untersuchungshandlungen hinaus. Allein die Anklageschrift ist 52 Seiten lang, die Unterlagen zum Fall umfassen 55 Aktenordner, 36 Beilagenordner, acht USB-Sticks und eine CD. Für das Gericht sind zwölf Tage angesetzt, wobei die öffentliche Verhandlung an drei bis vier Tagen stattfinden soll. Für die restlichen Tage zieht sich das Gericht zur Beratung zurück. Gleich zwei Staatsanwälte sind für den komplexen Fall zuständig.
Das Urteil wird am 30. Mai erwartet. Für die Beschuldigten gilt bis zu einem rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung. Blick ist am Montag vor Ort und berichtet live.
* Name geändert