Ein tödlicher Unfall erschütterte Mitte November die Nordwestschweiz: Fünf Jugendliche in einem Mercedes-AMG GT 63 krachten auf der A2 bei Arisdorf BL in eine Wand. Ein Mitfahrer (†18) verstarb noch am Unfallort. Bald kam ans Licht: Die Jungs hatten im Auto Lachgas konsumiert, auch der Fahrer (18). Er soll dabei das Bewusstsein verloren haben.
Sie hatten die Lachgas-Flasche kurz zuvor in einer Basler Bar gekauft. Seither greifen die Behörden im Stadtkanton rigoros durch. Razzien in drei Clubs und Bars erfolgten am Wochenende nach dem Unfall. «Allerdings hatten wir die Kontrollen schon zwei Wochen vor dem Unfall mit der Polizei aufgegleist», sagt Yves Parrat (54), Leiter der Kontrollstelle Chemie- und Biosicherheit Basel-Stadt. Zuvor hatte das Gesundheitsdepartement bereits Verkaufsverbote ausgesprochen.
«Geht weiter wie immer»
Dem Handel tut dies keinen Abbruch. «Das geht weiter wie immer», sagt ein Insider zu Blick, «die Behörden haben ja nur an einem Wochenende kontrolliert.» Er kenne mindestens zwei Clubs, in denen die Ballone weiterhin über den Bar-Tresen wandern. «Auch im Kleinbasel gibt es noch viele Lädeli.» Sie hätten die Flaschen halt einfach nicht mehr so offensichtlich im Angebot.
Blick hat den Test gemacht. In einem berüchtigten Quartier-Laden am Claragraben will der Verkäufer auf Verlangen eine Flasche aus dem Lager holen. «Wie viele – eine?», fragt er. Als sich die Journalistin outet, bestreitet der sofort herbeigeeilte Geschäftsführer, Lachgas zu verkaufen. «Das machen wir nicht mehr, wir wollen keine Probleme», behauptet er.
Auch in der Barock-Bar gehen die Lachgas-Partys weiter. Am vergangenen Freitagabend ist der Club wenig besucht. Dass es Lachgas zu kaufen gibt, ist nirgends angeschrieben. Aber einige Teenies laufen mit prall gefüllten Ballons herum – die sie hier wohl erstanden haben. An der Bar werden auf Nachfrage Chips für je 5 Franken ausgehändigt. An einer zweiten Theke in einer dunklen Ecke des Clubs gibt ein Mann kommentarlos die gefragten Ballons gegen die Chips heraus. Blick-Praktikant Samuel Walder posiert für das Foto – und lässt den Ballon danach fliegen.
Die Clubbetreiberin bestreitet alles und wollte gegenüber Blick keine Stellung nehmen.
«Lachgas-Szene in Basel ist grösser als in anderen Städten»
Eine Gruppe im Club spricht offen über den Konsum. «Es ist schon geil, man hat seinen Spass», meint Juan (18). Dennoch finde er es gut, dass die Behörden nun durchgreifen. «Ich kenne die Beteiligten vom Autounfall in Arisdorf. Es ist wichtig, aus einem solchen Vorfall zu lernen.»
Verbieten könne man den Konsum trotzdem nicht. «Die Lachgas-Szene in Basel ist grösser als in anderen Städten. Wer es einmal probiert hat, will es wieder nehmen.» Viele Läden würden immer noch die «Exotic Whip»-Flaschen verkaufen – man müsse nur wissen, welche. Zudem hätten Kollegen begonnen, damit zu dealen. Eine Flasche kostet im Internet rund 30 Euro. Verkauft wird eine solche unter der Hand jedoch für 80 bis 120 Franken.
Kein Betäubungsmittel – aber Gesetzesartikel im Chemikaliengesetz
Die Gesetzeslage ist nicht ganz klar. Sicher ist: Lachgas fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, weil es im technischen Bereich oder im Lebensmittelbereich, etwa in Rahmbläsern, legal eingesetzt werden darf. Auch Zahnärzte verwenden es – allerdings in reinerer Form und nach dem Heilmittelgesetz.
Yves Parrat sagt: «Laut Chemikaliengesetz ist es verboten, das Gas zu einem anderen Verwendungszweck zu verkaufen, als es der Hersteller vorgesehen hat. Also sicher nicht zur Inhalation.» Beim Verkauf an Jugendliche in Ballons oder in Flaschen, die über keinen Rahmbläser-Aufsatz verfügen, sei ja offensichtlich, dass es zur Konsumation verkauft werde. «Es handelt sich um geltendes Gesetz. Egal, ob sich die Club- oder Barbetreiber wehren: Das gilt bereits, und wir setzen das jetzt durch», sagt Parrat.
Mindestens ein Barbetreiber sieht das anders und hat beim Gesundheitsdepartement Einspruch erhoben. Der Anwalt des Gastwirts geht davon aus, dass der Artikel aus dem Chemikaliengesetz nicht anwendbar ist. Dereinst wird wohl ein Richter darüber urteilen müssen.
60 Prozent Arbeitszeit für Bekämpfung von Lachgas-Problem
Kenntnis von den Ballon-Bars, die es schon mehrere Jahre gibt, hatte das Basler Gesundheitsdepartement erst diesen Sommer erhalten. Seither würden rund 60 Prozent seiner Arbeitszeit dafür draufgehen, erzählt Yves Parrat. «Es ist suboptimal, dass wir ein Suchtmittelproblem mit dem Chemikaliengesetz bekämpfen müssen. Die Gesetzeslücke sollte vom Bund geschlossen werden.» In Frankreich wurde der Lachgas-Verkauf in Gastrobetrieben kürzlich verboten, nachdem es zu mehreren tödlichen Autounfällen gekommen war. Eine solche Regelung würde sich Parrat auch wünschen.
«Wir werden in Basel weiter kontrollieren und das Verbot durchsetzen», kündigt Yves Parrat an. «Wenn die Gastwirte weiterhin dagegen verstossen, riskieren sie, dass ihr Betrieb behördlich geschlossen wird – wie bei jenen, die sich partout nicht an die Covid-Bestimmungen halten wollen.»
Distickstoffmonoxid, so der chemische Name von Lachgas, wird ab einer kleinen Rahmbläser-Kartusche (1 Ballon), ab einer grösseren 500- bis 750-Gramm-Flasche (bis zu 40 Ballons) oder einer ganz grossen, bis zu 50 Liter fassenden Flasche (mehrere als 1000 Ballons) in bunte Luftballons eingelassen. So kann ein Konsument das Gas aus dem Ballon inhalieren. Der Sauerstoffmangel im Gehirn sorgt für einen rund 20-sekündigen, schwindelerregenden Rausch. Ein Ballon kostet in der Partyszene in der Regel 5 Franken.
Zu starke Inhalation kann allerdings zu kurzer Bewusstlosigkeit führen.
Es besteht die Gefahr von Sturzverletzungen. Bei einer Überdosis kann es auch zu Vergiftungen kommen, die in der Notaufnahme behandelt werden müssen. Als Langzeitfolgen sind Schäden an Hirn und Nervensystem möglich. Abhängig macht Lachgas laut gängigen Sucht-Info-Seiten aber nicht. (ct)
Distickstoffmonoxid, so der chemische Name von Lachgas, wird ab einer kleinen Rahmbläser-Kartusche (1 Ballon), ab einer grösseren 500- bis 750-Gramm-Flasche (bis zu 40 Ballons) oder einer ganz grossen, bis zu 50 Liter fassenden Flasche (mehrere als 1000 Ballons) in bunte Luftballons eingelassen. So kann ein Konsument das Gas aus dem Ballon inhalieren. Der Sauerstoffmangel im Gehirn sorgt für einen rund 20-sekündigen, schwindelerregenden Rausch. Ein Ballon kostet in der Partyszene in der Regel 5 Franken.
Zu starke Inhalation kann allerdings zu kurzer Bewusstlosigkeit führen.
Es besteht die Gefahr von Sturzverletzungen. Bei einer Überdosis kann es auch zu Vergiftungen kommen, die in der Notaufnahme behandelt werden müssen. Als Langzeitfolgen sind Schäden an Hirn und Nervensystem möglich. Abhängig macht Lachgas laut gängigen Sucht-Info-Seiten aber nicht. (ct)