In keinem Jahr zuvor war das Datum des 9. Mai bei uns so präsent wie dieses Jahr. Der Tag gilt als grosser Feiertag Russlands, an dem der Sieg über Nazi-Deutschland zelebriert wird. Alle Jahre fährt Kreml-Chef Wladimir Putin (69) an diesem Tag eine grosse Parade in Moskau auf, demonstriert seine Macht und feiert sein Regime.
Doch nicht nur in Russland ist dieser Feiertag bekannt – auch in der Schweiz wird der 9. Mai gefeiert. So wird der Friedhof Hörnli in Riehen BS jedes Jahr zum Schauplatz einer grossen Russen-Sause, wie die «Basler Zeitung» berichtet.
Der Grund: Vier sowjetische Soldaten sind in einem Grab, das von der russischen Botschaft unterhalten wird, beigesetzt. Im Verlauf der Jahre kamen 19 weitere Namen dazu, Sowjetkämpfer, die während des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz starben.
Propaganda-Veranstaltung blieb bislang unbemerkt
Hunderte Russinnen und Russen aus der Schweiz und dem nahen Ausland kommen jeweils auf dem grössten Friedhof der Schweiz zusammen. So waren 2019 – vor Corona – unter anderem russische Diplomaten, Offiziere und Mitglieder eines Putin-treuen Motorradklubs in Riehen anwesend. Auf dem einzigen sowjetischen Soldatengrab in der Schweiz gedenken sie den «Gefallenen im Kampf gegen den Faschismus» und füllen die Alleen des Friedhofs.
Bislang interessierte sich in Basel kaum jemand für diese Propaganda-Veranstaltung. Doch dieses Jahr kommt der Ukraine-Krieg hinzu. Der Anlass wird nicht nur ein reines Gedenken an den Sieg über Nazi-Deutschland sein. Es geht auch um die Unterstützung Putins und seines Krieges gegen die Ukraine.
Im April hatten bereits in Deutschland mehrere Autokorsos von Putin-Sympathisanten weltweit für Schlagzeilen gesorgt – muss jetzt auch Basel mit einem Aufmarsch von Putin-Sympathisanten rechnen?
Behörden entscheiden, ob Feier stattfindet
Basel hat sich nach der russischen Invasion rasch mit der Ukraine solidarisiert – ein Aufmarsch von Kriegsbefürwortern passt da nur bedingt ins Bild.
Die Kommunikation zur Feier läuft seit dem Rummel um den Tag jedenfalls nur noch über die Staatskanzlei. Ob die Russen-Feier am 9. Mai in Riehen verboten werden soll, ist bei den Behörden aber unklar. «Kein Kommentar bis zum Ende der Gespräche mit Botschaft und EDA», sagt Marco Greiner, Sprecher der Basler Regierung, zur «Basler Zeitung». Bei dem Austausch gehe es um «Sicherheitsfragen». Bis wann die Gespräche dauern, lässt Greiner offen.
Am Ende liegt die Hoheit über den Entscheid aber bei der Basler Regierung. Ob das EDA die russische Feier angesichts der Umstände für angebracht hält, will das Departement gegenüber der «Basler Zeitung» nicht beantworten.
Auch in der Schweiz gibt es reichlich Putin-Unterstützer
Dass der eigentliche Gedenktag vielmehr zu Putins Propaganda-Zwecken dient, bestätigen auch die Aussagen eines Mitglieds des Vereins der Russinnen und Russen in der Region Basel. Seit Jahren besuche sie das Hörnli an jedem 9. Mai.
Im Gespräch mit der Frau, die anonym bleiben will, wird schnell klar, dass sie voll und ganz Putin unterstützt. Sie ist davon überzeugt, dass die Russen in der Ukraine gegen Faschisten kämpfen und das Land im Grunde ja befreie. Von einem Massaker in Butscha will sie nichts wissen. Vieles sei sowieso noch unklar.
Bilder von gefallenen Soldaten sollen gezeigt werden
Sie dürfte kein Einzelfall sein. Überhaupt gibt es wahrscheinlich «gar nicht so wenige» russische Putin-Unterstützer in der Schweiz, wie der hier lebende russische Schriftsteller Michail Schischkin (61) gegenüber der «NZZ» sagt.
Laut Schischkin dürften in Russland an der 9.-Mai-Feier auch Bilder der in der Ukraine gefallenen russischen Soldaten gezeigt werden. Der Schriftsteller befürchtet, dass dies auch Basel blüht – sofern die Veranstaltung stattfindet. (dzc)