In zahlreichen Ländern steigen die Corona-Infektionszahlen wieder an – auch in der Schweiz. Mittlerweile ist klar: In seltenen Fällen hilft auch die doppelte Impfung nichts: Gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) überlebten 18 Patienten trotz vollständiger Impfung eine Corona-Ansteckung nicht.
Die Delta-Variante des Coronavirus entwickelt sich dabei zu einem immer grösseren Problem. Um einen noch besseren Schutz gegen den Erreger zu erlangen, könnte ein dritter Piks für eine sogenannte Booster-Impfung notwendig sein. Dank dieser soll die Anzahl Antikörper bei Patienten bis ums Zehnfache gesteigert werden.
Blick klärt die wichtigsten Fragen zur dritten Corona-Impfung:
Wie gefährlich ist die Delta-Variante überhaupt?
«Die Delta-Variante ist zweifellos ernst zu nehmen, weil sie sich deutlich leichter ausbreitet, möglicherweise zu mehr schwereren Krankheitsverläufen führt und die Wirksamkeit von Impfungen verringern kann», sagte der Basler Kantonsarzt Thomas Steffen (60) Anfang Juli zu Blick.
Auch in einem Bericht der Taskforce heisst es, «dass die Wahrscheinlichkeit einer Hospitalisation oder eines Todesfalls nach einer Infektion mit Delta etwa um 50 Prozent oder mehr erhöht ist» im Vergleich mit anderen Mutationen. Umso wichtiger ist es daher, sich impfen zu lassen.
Wie gut wirkt die normale Impfung?
Zahlen aus Israel legen nahe, dass der Wirkstoff von Pfizer/Biontech lediglich zu 60 bis 80 Prozent gegen die Delta-Variante schützt. Gegen das ursprünglich Virus, die Alpha-Variante, liegt der Schutz bei 90 Prozent.
Einigen Studien zufolge ist die Wirksamkeit der Impfungen gegen die Delta-Variante leicht geringer als bei früheren Varianten, aber sie helfen – allerdings nur nach der zweiten Dosis.
Jüngste Daten der britischen Regierung zeigen, dass zwei Impfspritzen bei Delta einen 96-prozentigen Schutz gegen eine Krankenhauseinlieferung wegen Corona und einen 79-prozentigen Schutz gegen eine symptomatische Infektion bieten. Nach nur einer Impfung liegt der Schutz allerdings nur bei 35 Prozent.
Was sagt der Impfstoff-Hersteller Pfizer/Biontech?
Nach Angaben von Pfizer/Biontech schützen zwei Dosen sechs Monate lang gut vor schweren Verläufen einer Corona-Erkrankung. Mit der Zeit sowie mit dem Auftreten neuer Virus-Varianten sei aber damit zu rechnen, dass die Wirksamkeit abnehme. Deshalb könnte eine dritte Dosis nach sechs bis zwölf Monaten erforderlich sein.
Erste Daten einer Studie würden zudem zeigen, dass eine dritte Impfung mit dem Vakzin die Menge an Antikörpern gegen den Original-Virusstamm und die zuerst in Südafrika entdeckte Beta-Variante um das fünf- bis zehnfache erhöht. Es sei mit einem ähnlichen Effekt bei der Abwehr der Delta-Variante zu rechnen.
Wie gut ist der Bund auf eine dritte Impfung vorbereitet?
Sollte es zu einer Booster-Impfung kommen, hat die Schweiz vorgesorgt. Schon vor Monaten hatte sich der Bund auf eine schlechtere Wirkung der Corona-Impfstoffe vorbereitet. Deswegen wurde bei den Herstellern nachbestellt – und wie. Genug Vakzin für 17 Millionen Menschen.
Anfang Mai wurde dann bekannt, dass der Bund erneut einen Vertrag über sieben Millionen Impfdosen mit dem Pharmaunternehmen Moderna abgeschlossen hat. Gemäss Blick-Informationen sollen diese im 1. Quartal 2022 geliefert werden. Jeweils mehr als zwei Millionen sollen im Januar, Februar, März geliefert werden. Zudem sichert sich der Bund die Option für zusätzliche sieben Millionen Dosen im weiteren Verlauf von 2022.
Moderna forscht gerade an einer Auffrisch-Impfung, die auch vor einer Infektion mit Mutanten schützt. Bevor diese zum Einsatz käme, müsste sie aber noch von der Heilmittelbehörde Swissmedic zugelassen werden.
Wie teuer das Ganze bereits schon jetzt ist, dazu will sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bislang aber nicht äussern. «Bei den Preisen für Covid-19-Impfstoff handelt es sich um vertrauliche vertragliche Vereinbarungen mit den Impfstoffherstellern», erklärte BAG-Sprecherin Masha Maria Foursova im Juni. Denn eine Offenlegung der Vertragsdetails würde die Verhandlungsposition der Schweiz in weiteren Verhandlungen schwächen.
Gibts den Booster im Impfzentrum oder beim Hausarzt?
Mittlerweile sind Transport und Lagerung vom Impfstoff von Pfizer/Biontech einfacher geworden. Inzwischen kann das Vakzin sogar im Kühlschrank gelagert werden. Daher dürfte die Booster-Impfung auch durch die Hausärzte erfolgen.
Was sagen die Gesundheitsbehörden?
Eine dritte Impfung werde laut Swissmedic-Mediensprecher Lukas Jaggi «generell noch nicht empfohlen». Auch das BAG sieht das so. «Zum heutigen Zeitpunkt ist in diesem Jahr für die breite Bevölkerung keine Auffrischungsimpfung vorgesehen», heisst es auf Anfrage von Blick. Aktuelle Daten würden zeigen, dass eine vollständige Impfung mit mRNA-Impfstoffen einen guten Schutz gegen aktuelle Virusvarianten bietet.
Auch andere Länder sehen nicht vor, eine dritte Dosis für alle vollständig Geimpften zu empfehlen. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) betonen, dass es zu früh für eine Aussage darüber sei, ob und wann eine dritte Dosis nötig ist. Die Impfkampagnen in den verschiedenen Ländern und jüngste Studien hätten noch nicht genügend Daten dazu geliefert.
Ähnlich sieht es auch der Vorsitzende des Corona-Notfallkomitees der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Didier Houssin. Er warnte, Auffrischungsimpfungen könnten «die Ungleichheit beim Zugang zu Impfstoffen verschärfen», indem sie Ländern Dosen vorenthielten, die es schon jetzt kaum schafften, die Menschen ein erstes Mal zu impfen.
Wie sinnvoll ist eine dritte Impfung für besonders gefährdete Gruppen?
Nach Frankreich begann auch Israel in der vergangenen Woche mit der Verabreichung von dritten Dosen an Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist, etwa aufgrund von Organtransplantationen, Krebs oder Niereninsuffizienz. Beide Länder wiesen auf zunehmende Erkenntnisse hin, wonach Patienten mit geschwächtem Immunsystem nach zwei Impfdosen nicht ausreichend Antikörper entwickeln.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ging in der vergangenen Woche noch einen Schritt weiter und kündigte ab September Auffrischungs-Impfungen für früh in diesem Jahr geimpfte Risikogruppen an. Seine wissenschaftlichen Berater verwiesen auf erste Studien, wonach ältere Menschen nicht nur weniger Antikörper bilden als junge, sondern diese auch schneller wieder zurückgehen. (jmh/lha/AFP)