Nur Zeckenbisse gab es mehr
15 Krankheiten, die wegen Corona seltener wurden

Während die Schweiz unter der Corona-Pandemie leidet, haben diverse andere Infektionskrankheiten deutlich abgenommen. Dies geht aus einer Statistik des Bundesamts für Gesundheit (BAG) hervor, die heute veröffentlicht wird.
Publiziert: 26.07.2021 um 08:00 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2021 um 12:11 Uhr
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Die Auswertung des BAG zeigt: Im Corona-Jahr haben diverse andere Infektionskrankheiten deutlich abgenommen.
Foto: BAG, Blick Grafik
Fabian Vogt

Unter anderem um Epidemien vorzubeugen, müssen Labors und Kliniken gewisse übertragbare Krankheiten dem Bund melden. Es zeigt sich: Wegen Corona sind diese stark zurückgegangen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat 65’000 entsprechende Meldungen erhalten (nebst 3,8 Millionen Corona-Meldungen). Das ist ein Rückgang um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

16 Infektionskrankheiten hat das Bundesamt für Gesundheit genauer angeschaut und die Meldungen von 2020 mit denen der Jahre 2015 bis 2019 verglichen. Dazu gehören Krankheiten, die über Tröpfcheninfektion, über Lebensmittel, über Tiere oder durch Sex übertragen werden. Es zeigt sich: Nur Zeckenbisse (Frühsommer-Meningoenzephalitis) haben um 13 Prozent zugenommen.

Vermutlich, weil die Menschen mehr in der Natur waren, da Freizeiteinrichtungen geschlossen waren und sie nicht reisen konnten. Im Umkehrschluss haben die Reisebeschränkungen aber auch dazu geführt, dass Denguefieber und Malaria extrem stark abgenommen haben. Beide Krankheiten werden von Mücken übertragen, die vor allem im fernen Ausland heimisch sind.

Masken und anderes Essverhalten machen Bakterien das Leben schwer

Auch Krankheiten, die wie Coronaviren vor allem über Tröpfcheninfektion übertragen werden, sind stark zurückgegangen. Da Masken getragen und Abstand gehalten wurde, hatten beispielsweise Pneumokokken einen schweren Stand (-58 Prozent). Das sind Bakterien, die im Nasen-Rachen-Raum vieler Menschen leben und vor allem bei denjenigen mit geschwächtem Immunsystem diverse Krankheiten wie Mittelohrentzündungen, Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen auslösen können. In diese Kategorie fällt auch die saisonale Grippe, die zwar nicht in diese Analyse miteinbezogen wurde, aber ebenfalls deutlich unter den erwarteten Fallzahlen blieb, wie das BAG mitteilt. Eine eigentliche Grippewelle sei sogar vollständig ausgeblieben.

Verschiedene Infektionskrankheiten werden über das Essen aufgenommen. Am meisten verbreitet in der Schweiz ist Campylobacteriose (-24 Prozent), bei der Bakterien über kontaminierte Lebensmittel wie ungenügend erhitztes Fleisch oder verunreinigtes Wasser in den Körper gelangen und oft zu Durchfall und Bauchschmerzen führen. Auch Salmonellen wurden deutlich seltener gemeldet. Als Gründe nennt das BAG die verstärkte Handhygiene und die Schliessung von Restaurants und mehr Homeoffice, was zu einer Veränderung im Essverhalten geführt habe.

Weniger Tripper und Chlamydien

Haben Schweizer wegen Corona auch beim Sex viel besser aufgepasst? Der Schluss könnte gezogen werden, wenn die Zahlen zu Sexualkrankheiten angeschaut werden. 15 Prozent weniger Chlamydien-Fälle wurden dem BAG letztes Jahr gemeldet. Gonorrhoe – im Volksmund Tripper genannt – nahm um 25 Prozent ab. Meldungen von HIV-Infektionen nahmen um 28 Prozent und Frühe Syphilis sogar um 36 Prozent ab. Die Reduktion persönlicher Kontakte könnte zu einer Abnahme sexueller Kontakte ausserhalb fester Beziehungen geführt haben, mutmasst das BAG. Aber auch Bordellschliessungen könnten eine Rolle gespielt haben.

Allerdings wurde das BAG von Beratungs- und Anlaufstellen für Sexarbeiterinnen darüber informiert, dass die Häufigkeit von sexuell übertragbaren Infektionen bei den Prostituierten, die in der Schweiz blieben, zugenommen habe. Was Sinn ergibt, da ausserhalb von Puffs auch Freier wohl weniger Wert auf Verhütungsmittel legen und Prostituierte dies aufgrund von Notlagen nicht ausschlugen.

Nicht alles ist auf Corona zurückzuführen

Die Massnahmen gegen Corona sowie veränderte Lebensweisen haben andere Infektionskrankheiten erfolgreich bekämpft. Das wird aus der BAG-Statistik klar. Wie gross der Effekt ist, kann aber nicht gesagt werden. Das Bundesamt für Gesundheit schreibt, dass es teilweise zu einer Untererfassung der tatsächlichen Fallzahlen gekommen sein könnte. Weil Fachkräfte überlastet waren, Menschen weniger aus dem Haus gingen und nicht essenzielle medizinische Behandlungen aufgeschoben wurden, könnten gewisse Krankheiten auch gleich oft aufgetreten, aber weniger oft erfasst worden sein.

Das Bundesamt für Gesundheit führt aus, dass beide Faktoren – Corona-Massnahmen und Untererfassung – wohl eine Rolle gespielt haben, allerdings bei sämtlichen Krankheiten unterschiedlich stark. Deswegen seien weitere Beobachtungen nötig, um herauszufinden, wie sich Corona auf die anderen Infektionskrankheiten auswirkt.

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