Polen, Kroatien, Albanien – 13 Länder bereiste SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (42) auf seinem Ferien-Roadtrip durch Osteuropa. Bloss einmal, bei der Einreise in Bosnien und Herzegowina, habe er sein gelbes Impfbüchlein vorweisen müssen. Masken habe er kaum gesehen.
Aeschi sieht die Länder im Osten als Vorbild im Umgang mit Corona. Auch die Schweiz müsse zur Normalität zurückkehren. «Es ist Zeit, die Massnahmen endlich aufzuheben.» Schliesslich seien die Risikopersonen grösstenteils geimpft und eine Überlastung der Spitäler praktisch ausgeschlossen.
Aeschi gegen Covid-Gesetz
Zurück in der Schweiz weibelt der SVP-Fraktionschef deshalb gegen die Corona-Massnahmen. Seine Partei wird in der Herbstsession des Parlaments das Ende der besonderen Lage fordern. Und aktuell versucht Aeschi seine Parteikollegen von einem Nein zum Covid-Gesetz zu überzeugen.
Dieses kommt im November bereits zum zweiten Mal an die Urne, nachdem Corona-Skeptiker, mit tatkräftiger Unterstützung der Jungen SVP, weit mehr als die geforderten 50'000 Unterschriften gesammelt hatten. Während es bei der ersten Abstimmung im Juni hauptsächlich um wirtschaftliche Hilfen ging, steht nun bei der zweiten Abstimmung das Covid-Zertifikat im Zentrum.
Covid-Zertifikat würde fallen
Bei einem Nein zum Gesetz würde dem Zertifikat die rechtliche Grundlage entzogen. Das heisst: Zutrittsbeschränkungen im Inland, wie sie derzeit etwa für Clubs und Grossveranstaltungen gelten, wären nicht mehr möglich. Aber auch Reisen ins Ausland könnten schwierig werden.
Thomas Aeschi sieht darin kein grösseres Problem: «Der Bundesrat könnte bei Bedarf eine neue Grundlage für ein Reise-Zertifikat schaffen, aber in der Schweiz dürfte das Covid-Zertifikat nicht mehr als Eintrittsticket verlangt werden.»
Diskussion geht in andere Richtung
Während Aeschis Ferienabwesenheit entwickelte sich die Diskussion hierzulande indes in eine ganz andere Richtung. Das Zertifikat soll nicht weniger, sondern mehr genutzt werden, lautet das Credo.
So denkt etwa der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, Lukas Engelberger (46), im SonntagsBlick darüber nach, dass der Besuch im Restaurant oder im Fitnesszentrum künftig nur noch für nachweislich Geimpfte, Getestete oder Genesene möglich sein soll.
Eine ähnliche Ausweitung der Zertifikatspflicht hatten GLP-Präsident Jürg Grossen (51) und Impfexperte Christoph Berger (58) bereits vor einer Woche gefordert. Das Ziel: Mittels lockender Freiheiten sollen die Menschen dazu animiert werden, sich impfen zu lassen – denn das Impftempo in der Schweiz stockt. Dafür breitet sich die Delta-Variante rasant aus.
Mitte-Fraktionschef «vorsichtig»
Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (43) kann sich deshalb vorstellen, dass das Zertifikat künftig auch bei mittelgrossen Veranstaltungen zum Einsatz kommt. Bei einer Ausweitung der Zertifikatspflicht auf Restaurants und Geschäfte – wie sie jüngst die französische und die italienische Regierung ankündigten – wäre er hingegen «vorsichtig».
SVP-Basis gegen Zertifikat
SVP-Fraktionschef Aeschi lehnt die Pflicht ganz ab. «Es darf auf keinen Fall sein, dass man nur noch mit Zertifikat ins Restaurant oder ins Fitnesszentrum kommt», sagt er. Damit würde eine Zweiklassengesellschaft geschaffen.
Bei der Parteibasis dürften Aeschis Corona-skeptische Parolen gut ankommen. In einer Umfrage der Forschungsstelle Sotomo gaben 62 Prozent der SVP-Wähler an, gegen das Zertifikat zu sein. In allen anderen Parteien ist die Zustimmung zum Ausweis hoch. Gut möglich, dass sich der Zertifikatsgraben bis zur Abstimmung noch vergrössert.