Roland Lutz hat sich sein Jubiläumsjahr wahrscheinlich anders vorgestellt: Seit 2013 amtet er als Vorsteher des Ressorts Soziales in Nidau BE am Bielersee. Doch die Kleinstadt vor den Toren Biels BE ist auch der Wohnort von Abu Ramadan – und der wurde 2017 landesweit bekannt, nachdem er als Laienprediger in der Bieler Ar’Rahman-Moschee zur Vernichtung aller «Ungläubigen» aufgerufen hatte.
Pointierte Stellungnahmen zu Sozialhilfebezug
Als Tonaufnahmen von Freitagsgebeten Abu Ramadans an die Öffentlichkeit gelangten, wurde Lutz von Medienanfragen überhäuft. Denn Ramadan, Inhaber eines libyschen Passes, hatte in Nidau 13 Jahre lang insgesamt 600'000 Franken Sozialhilfe bezogen – zum Teil unrechtmässig.
SVP-Mann Lutz liess sich nicht lange bitten: Wiederholt nahm er pointiert Stellung zum Leben des Libyers auf Gemeindekosten. Der Politiker versichert zwar bis heute, nie Details aus Ramadans Sozialdossier an Journalisten weitergegeben zu haben – er bestätigte jedoch Medienberichte, gemäss denen der Prediger mehr als eine halbe Million Sozialhilfe bezogen habe.
Verletzte Lutz das Amtsgeheimnis?
Damit allerdings verletzte der Sozialvorsteher möglicherweise das Amtsgeheimnis. Von Abu Ramadan angezeigt wurde Lutz erst nach einem Interview, das er 2019 der SRF-«Rundschau» gegeben hatte. Darin warf er dem Libyer unter anderem vor, das Erlernen einer Landessprache beharrlich verweigert zu haben – er habe genau gewusst, dass er so auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sei.
Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Kommunalpolitiker, Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung seines Computers inklusive. Vier Jahre später glauben die Strafverfolger nun offenbar, genügend Belastungsmaterial gegen Lutz beisammenzuhaben.
SVP-Mann ist sich keiner Schuld bewusst
«Ich habe eine Verfügung erhalten, in der die Staatsanwältin eine Anklage in Aussicht stellt», erklärt Lutz auf Anfrage, betont jedoch, sich keiner Schuld bewusst zu sein. Er habe in den Medien lediglich bestätigt, was ohnehin bekannt gewesen sei. Daher wird jetzt wohl ein Gericht in dieser Sache das letzte Wort haben. Lutz drohen bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.
Abu Ramadan lebt nach wie vor in der Gemeinde Nidau. 2022 wurde er in Biel wegen Rassendiskriminierung und Sozialhilfebetrugs verurteilt. Eine bedingte Freiheitsstrafe und den Landesverweis hat er angefochten. Die Streitsache ist beim Berner Obergericht hängig.
Ar’Rahman-Moschee seit April geschlossen
Trotz des laufenden Strafverfahrens predigte Ramadan noch jahrelang in der nicht zuletzt durch ihn berüchtigten Ar’Rahman-Moschee. Erst 2020 wurde er von der damaligen Leitung des Gotteshauses abgesetzt. Das hielt den heute 69-Jährigen aber nicht davon ab, es bis zuletzt zu besuchen.
Nachbarn berichten, der Mann mit dem rot gefärbten Bart sei weiterhin regelmässig dort erschienen. Bis April 2023: Da wurde die Ar’Rahman-Moschee durch den Vermieter geschlossen und das Gebäude an eine Berner Immobilienfirma verkauft.