Die Ar’Rahman-Moschee in Biel BE ist Geschichte. Das Gotteshaus, in dem der Hassprediger Abu Ramadan für die Vernichtung aller «Ungläubigen» gebetet hatte, ist im April unbemerkt von der Öffentlichkeit geschlossen worden. Der Mietvertrag mit dem Trägerverein Arrissala ist gekündigt, das Haus verkauft.
Die Moschee geriet 2017 landesweit in die Schlagzeilen, nachdem der «Tages-Anzeiger» und die SRF-«Rundschau» Tonaufnahmen veröffentlichten, auf denen Abu Ramadan aus Libyen gegen Andersgläubige hetzte. «Oh, Allah, ich bitte dich, die Feinde unserer Religion zu vernichten, vernichte die Juden, die Christen und die Hindus und die Russen und die Schiiten.»
Zum Ende des Fastenmonats Ramadan wurde die Moschee nun geräumt. Neue Eigentümerin ist ein Berner Architekturbüro. «Ich bin froh, dass wir dieses Kapitel abschliessen konnten», sagt der bisherige Besitzer Oliver Senn. Er war zusammen mit seinem Bruder als Eigentümer eingetragen, die Nutzniessung lag beim Vater.
Moschee-Besucher schlossen sich dem IS an
Das Gotteshaus des Trägervereins Arrissala war eine der ältesten von heute rund zehn Moscheen in Biel. Der Konvertit und heutige Präsident des umstrittenen Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS), Nicolas Blancho, wirkte und lehrte hier. Junge Bieler und Bielerinnen, die in der Moschee verkehrten, sollen sich später islamistischen Milizen, dem Islamischen Staat (IS) und der Al Kaida angeschlossen haben. Die Stadt Biel meldete die Moschee wegen möglicher Radikalisierung mehrfach dem Staatsschutz.
Und Abu Ramadan? Der heute 69-jährige Libyer kam 1998 auf der Flucht vor dem damaligen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi in die Schweiz. In den Nullerjahren sass er zusammen mit Blancho im Vorstand der Ar’Rahman-Moschee. Die Sicherheitsorgane hatten den Imam schon früh auf dem Radar. Seit 2005 wurde gegen ihn ermittelt, spätestens ab 2016 hatte ihn auch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wegen Verdacht auf Radikalisierung und Aufruf zu Gewalt im Auge.
Hinzu kam 2018 der Vorwurf des Sozialhilfebetrugs. Abu Ramadan bezog an seinem Wohnort Nidau BE während 13 Jahren rund 600 000 Franken Sozialhilfe. Gleichzeitig reiste er als religiöser Begleiter für ein muslimisches Reisebüro nach Mekka oder Medina. Die Einnahmen daraus soll er verschwiegen haben.
Der Islamist kehrte mehrfach nach Libyen zurück, obwohl ihm dort angeblich der Tod drohte. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) entzog ihm deshalb den Asylstatus. Im Juni 2022 wurde er vom Regionalgericht in Biel wegen Rassendiskriminierung und Sozialhilfebetrug zu 14 Monaten bedingt verurteilt und mit einem Landesverweis belegt. Abu Ramadan bestreitet sämtliche Vorwürfe und hat das Urteil angefochten. Das Verfahren ist beim Berner Obergericht hängig.
Behörden waren machtlos
Während Abu Ramadan die Ausschaffung droht, haben die Enthüllungen der Ar’Rahman-Moschee lange nichts anhaben können. Zwar liebäugelte der damalige Bieler Sicherheitsdirektor Beat Feurer (SVP) 2017 mit einer behördlichen Schliessung. «Das wäre politisch ein starkes Zeichen», sagte er. Doch dafür fehlte die gesetzliche Grundlage. So liefen die Forderungen nach einer Schliessung der Moschee ins Leere.
Nur die Vermieter hätten der Moscheenutzung ein Ende bereiten können. «Natürlich waren wir nicht einverstanden mit dem, was dort angeblich gepredigt wurde», sagt Oliver Senn. Mehrfach seien die Betreiber ermahnt worden. «Aber nur weil man zeitweise mit einem Mieter nicht zufrieden ist, setzt man ihn nicht auf die Strasse.» Dass dem Trägerverein jetzt der Mietvertrag gekündigt wurde, war also kein Entscheid gegen die Moschee. Das Gebäude sei sanierungsbedürftig, sagt Senn, man habe aber nicht selber investieren wollen.
In der Problem-Moschee wurde bis zuletzt weitergepredigt. Auch Abu Ramadan trat trotz laufender Strafuntersuchung mindestens bis 2020 als Vorbeter auf. Dabei hetzte er erneut gegen «Ungläubige». Erst als die «SonntagsZeitung» die neuen Tiraden publik machte, gab der Verein im Februar 2020 die Absetzung des Libyers bekannt.
Zu diesem Zeitpunkt sammelte die Moschee Spenden, um das Haus selber kaufen zu können. Im Wissen um die Verkaufsabsichten der Eigentümer kämpfe sie ums Überleben.
Haus war der Stadt Biel zu teuer
Ihr Gotteshaus hätten die Betreiber der Ar’Rahman-Moschee tatsächlich kaufen können. Zwar hat die Familie Senn die alte Fabrik auch der Stadt Biel angeboten. Diese war ebenfalls an einem Kauf interessiert. Unter anderem, weil damit die behördliche Schliessung der Moschee über Umwege doch noch möglich gewesen wäre. Nach Auskunft der Bieler Finanzdirektion konnte man sich aber nicht auf einen Preis einigen.
Damit war der Weg frei für die Betreiber der Ar’Rahman-Moschee, wie Verkäufer Senn bestätigt. Doch der Trägerverein konnte die geforderte gut eine Million Franken nicht aufbringen.
Laut Oliver Senn ist der Verein mit ständig wechselnden Vertretungen und immer neuen potenziellen Geldgebern aus dem In- und Ausland angekommen. Das habe sich über Jahre hingezogen. Anfang 2023 ist es den Verkäufern zu bunt geworden. «Irgendwann haben wir uns nicht länger hinhalten lassen», sagt Senn. Für die Moschee bedeutete das: Lichter löschen.
Für die meisten Leute sei die Schliessung einer solchen Moschee eine Erleichterung, sagt Saïda Keller-Messahli, die wohl bekannteste Islamismuskritikerin der Schweiz. Die Wirkung einer Schliessung dürfe aber nicht überschätzt werden, meint die Autorin des Buches «Islamistische Drehscheibe Schweiz». «Die Moschee ist zwar weg, aber die Menschen sind noch da.» Keller-Messahli glaubt, dass sich die Betreiber der Moschee an einem anderen Ort neu organisieren werden.
Auch Reinhard Schulze sieht die Schliessung der Ar’Rahman-Moschee ambivalent. Das Verschwinden der Moschee sei kein Verlust, sagt der Islamwissenschaftler von der Universität Bern, auch für die salafistische Szene selber nicht. Was dort von Abu Ramadan gepredigt wurde, sei so bizarr gewesen, «dass man froh sein kann, wenn solche Ideen kein Forum mehr haben».
Andererseits, so Schulze, machten Treffpunkte wie die Ar’Rahman-Moschee salafistische Milieus und Radikalisierungsprozesse für die Gesellschaft erst sichtbar. Das Gedankengut bleibe auch ohne die Öffentlichkeit.
Verein geht auf Tauchstation
Ob die Ar’Rahman-Moschee mit dem Rauswurf wirklich verschwindet, ist offen. Entsprechende Anfragen lässt der Verein unbeantwortet. Unklar ist auch, wer derzeit die Verantwortung trägt. Der langjährige Präsident Ahmed Benzerrouk sagt, er habe den Verein aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Die Moschee sei «endgültig geschlossen». Bedauern tut er das nicht. «Es gibt genügend andere Moscheen in Biel.»