Auf einen Blick
- Astra gab in einem Jahr 5,4 Millionen Franken für externe PR-Profis aus
- PR-Agentur empfahl Grillfeste zur Besänftigung von Autobahngegnern
- Experten kritisieren die teuren Mandate
In zwei Wochen stimmt die Bevölkerung über den Autobahnausbau ab, und seit Wochen tobt ein Streit um Zahlen und Fakten – zu Staus, Sicherheit, Kosten und Umweltschäden. Jetzt zeigen interne Dokumente des Bundesamtes für Strassen (Astra): Die Behörde versucht die Bevölkerung mit Millionenaufwand vom Sinn neuer Tunnel und zusätzlicher Spuren zu überzeugen. Sie hat in den letzten Jahren zahlreiche Mandate an PR-Agenturen vergeben.
Zum Beispiel beim 2,6 Milliarden Franken teuren Basler Rheintunnel. Für ein Kostendach von rund einer Viertelmillion Franken hat die Werbeagentur Infrakom seit 2021 ein Kommunikationskonzept und mehrere Medienmitteilungen verfasst sowie Anlässe organisiert. Im Konzept, das Blick vorliegt, macht sich das Team um den ehemaligen Journalisten Jürg Abbühl unersetzlich: Alle Medienanfragen ans Bundesamt müssten einem «Philosophiecheck» durch Infrakom unterzogen werden, heisst es da. Zudem solle man betroffene Zielgruppen einzeln bearbeiten: Grössere Veranstaltungen hätten ein «Eskalationspotenzial». Tatsächlich durfte die Agentur dann fürs Astra sieben Anlässe und unmittelbar vor der Abstimmung vom 24. November auch noch zwei Ausstellungen organisieren.
Grillfest für Autobahngegner
Dabei kam es auch zu Einflussversuchen. Man müsse vermeiden, dass sich die Betreiber und Pächterinnen von Schrebergärten «in den Medien als Opfer darstellen (David gegen Goliath)», warnt Infrakom. Daher solle das Astra «Verständnis zeigen» und «Kompensation bieten», indem «ein Grillfest spendiert oder Getränke gesponsert» würden. Das Astra beteuert, es habe diesen Vorschlag nicht umgesetzt.
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Dennoch wird das Vorgehen des Astra von Fachleuten kritisiert. «Konzeptarbeiten und Medienmitteilungen gehören zur Kernaufgabe von Verwaltungen», sagt Iwan Rickenbacher, langjähriger Honorarprofessor für politische Kommunikation: «Sie sollten nicht ausgelagert werden.» Sonst komme es zu PR-Aktionen, wie sie in der Privatwirtschaft üblich, aber in der Politik tabu seien. Der Vorschlag, Grillfeste mit Steuergeldern zu unterstützen, sei «nicht akzeptabel». Er verweist zudem auf die Weisungen der Bundeskanzlei. Darin heisst es, Informationen müssten stets «wahr, sachlich und möglichst objektiv» sein.
Astra wehrt sich
Das Bundesamt für Strassen erklärt auf Anfrage, es lasse sich in der «Projektkommunikation» unterstützen, um «der Informationspflicht des Bundes gerecht zu werden». Dies trage wesentlich dazu bei, negative Effekte von Bauarbeiten für die Regionen zu verringern. Doch interne Dokumente zeigen: Es geht um weit mehr als Baustelleninfos. So identifizierten die PR-Berater die Schwächen und Risiken der Autobahnprojekte und lieferten Argumente, wie man diese schönreden kann. Beim Rheintunnel listen sie auf, welche National- und Ständeräte bevorzugt mit Informationen bedient werden sollen.
Eine Umfrage bei anderen Bundesämtern zeigt: Gerade operative und politische Arbeiten wie Medienmitteilungen oder politische Stellungnahmen werden überall verwaltungsintern erledigt. Externe Aufträge gibt es nur für Gestaltung, Fotografie, Videos oder Webprogrammierungen.
Haben Sie Hinweise zu brisanten Geschichten? Schreiben Sie uns: recherche@ringier.ch
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Das Astra aber hat für den umstrittenen Schaffhauser Fäsenstaubtunnel gleich zwei PR-Agenturen angeheuert, die praktisch die gesamte Kommunikation übernommen haben, wie 18 Dokumente belegen, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip einsehen konnte: Argumentarien für Medienanfragen, Konzepte für Medienkonferenzen, Medienmitteilungen, Powerpoint-Präsentationen und Texte für Websites. Sogar die Politkommunikation auf höchster Ebene wurde von der PR-Agentur Leuzinger & Benz übernommen, wie ein Astra-Sprecher bestätigt.
5,4 Millionen Franken in einem Jahr
Als die Schaffhauser Regierung vor zwei Monaten einen kritischen Bericht zum Fäsenstaubtunnel publizierte, liess das Astra die PR-Leute zwei Repliken verfassen. Die Kurzfassung wurde mit Astra-Logo an die Medien versandt und auf den Websites des Bundes veröffentlicht – nur sechs Wochen vor der Volksabstimmung. Für ihre Dienstleistungen bewegen sich die beiden Agenturen laut Astra in einem Kostenrahmen von 1,1 Millionen Franken.
Wie viel PR-Agenturen an den anderen vier Projekten verdient haben, die jetzt zur Abstimmung kommen, bleibt auch nach fünfwöchiger Recherche unklar. Das Astra beantwortet Fragen ausweichend und erklärte vor einem Monat, es könne wegen einer IT-Umstellung nur PR-Aufträge ab 2022 vollständig ausweisen. Weitere Dokumente will es erst nach dem Urnengang zur Verfügung stellen. Immerhin bestätigt es, wie viel es für externe PR ausgibt: total 5,4 Millionen Franken im letzten Jahr – 1,4 Millionen mehr als im Vorjahr.
Dabei beschäftigt das Astra mit zwölf Medienbeauftragten und drei weiteren Angestellten überdurchschnittlich viele PR-Leute. In der ganzen Bundesverwaltung sind laut Staatsrechnung über 400 Vollzeitstellen mit Kommunikation befasst. Diese müssten die korrekte und faire Information der Bevölkerung sicherstellen, sagt Oswald Sigg, ehemaliger Vizebundeskanzler und Doyen der Schweizer Politkommunikation. Externe PR-Leute hätten oft zu wenig Sachkenntnis: «Bei ihnen sind Stil und Methode oft wichtiger als Inhalt und Präzision.» Sigg registriert über 100 PR-, Kommunikations-, Social-Media- und Werbe-Agenturen allein im Kanton Bern, wovon viele für teures Geld Verwaltungsaufgaben übernehmen würden: «Ein Armutszeugnis!»
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