Nun kommt Zunder in die SRG-Debatte: Ein Komitee um SVP-Nationalrat Thomas Matter (57, ZH) hat rund 130'000 Unterschriften seine SRG-Halbierungsinitiative eingereicht. Die Serafe-Abgabe für Haushalte soll von heute 335 auf 200 Franken sinken, jene für Unternehmen gleich ganz gestrichen werden. Die SRG müsste mit Hunderten Millionen Franken weniger auskommen.
«Diese Initiative ist eine Attacke gegen die Schweiz und ihre Vielfalt», warnte SRG-Generaldirektor Gilles Marchand (61) im SonntagsBlick. «Wir sind so klein in der Schweiz mit ihren vier Sprachregionen, es gibt kein anderes Modell, um den Service public in diesen vier Regionen zu leisten.» Es sei unmöglich, mit halb so vielen Gebührengeldern eine gute «Tagesschau» für das Tessin zu bieten, so Marchand. Und: «Wir wollen den Tessinern die gleiche Qualität bieten wie Romands und Deutschschweizern. Das ist die Idée suisse.»
30'000 Unterschriften aus dem Tessin
Umso mehr überrascht, dass fast ein Viertel der Unterschriften aus dem Tessin kommt: Rund 30'000 Unterschriften stammen laut den Initianten aus dem Südkanton. Dabei macht das Tessin nur 4 Prozent der schweizerischen Gesamtbevölkerung aus. Aber fast jeder zwölfte Tessiner hat das Begehren demnach unterzeichnet. Gesammelt haben diese SVP und Lega, dies auch mit der Lega-Zeitung «Il Mattino della Domenica» im Rücken.
«Es gibt im Tessin eine grosse Unzufriedenheit gegenüber der politischen Linksausrichtung der SRG», sagt SVP-Präsident Marco Chiesa (48). Das habe sich schon bei der No-Billag-Initiative gezeigt. 35 Prozent der Tessiner stimmten dieser 2018 zu, gesamtschweizerisch waren es nur 28 Prozent.
Chiesa betont, dass er die No-Billag-Initiative abgelehnt hat. «Mit der jetzigen SRG-Initiative liegt aber ein vernünftiger Vorschlag für einen angemessenen Service public vor, der die Vielfalt weiterhin gewährleistet.» Die heutigen 335 Franken pro Haushalt seien aber schlicht zu viel dafür.
SVP-Chiesa gegen «Beschäftigungsprogramm»
Dass dies für das Tessiner SRG-Programm einen Abbau mit sich ziehen würde, ist sich Chiesa bewusst. «Die Leute wollen aber selber entscheiden, was sie schauen wollen», sagt er. Es gebe Alternativen, verweist er etwa auf den Privatsender Tele Ticino. «Dieser sehr geschätzte regionale Sender leistet mit viel weniger Finanzmitteln eine hervorragende Arbeit», so der SVP-Ständerat. «Auch bei der SRG würde vieles effizienter gehen.» Tele Ticino bekomme 4 Millionen Franken Gebühren, die Tessiner SRG rund 270 Millionen, macht Chiesa den Vergleich.
Er spielt auch auf die zahlreichen Arbeitsplätze an. Von schweizweit fast 7000 SRG-Mitarbeitenden stehen über 1100 im Solde der Tessiner Abteilung RSI. «Unsere Bevölkerung braucht einen guten Service public, kein Beschäftigungsprogramm für linke Mainstream-Journalisten.»
FDP-Farinelli: «Frontalangriff auf die Minderheiten»
Erstaunt über die hohe Unterschriftenzahl aus dem Tessin zeigt sich FDP-Nationalrat Alex Farinelli (41). «Die Initiative ist ein Frontalangriff auf die Minderheiten», sagt er. Insofern stimme ihn die hohe Unterschriftenzahl aus dem Tessin auch traurig. «Die SRG wurde bei der Unterschriftensammlung offenbar zum Feindbild hochstilisiert», sucht er nach einer Erklärung. Wonach die SRG zu links sei und die Mitarbeitenden zu viel verdienen würden – so das Bild der Gegner. «Da unterschreibt man rasch einmal.»
Trotzdem geht er davon aus, dass das Tessin die Initiative dereinst ablehnen wird. «Wir müssen den Leuten aufzeigen, wie wichtig die SRG für die Minderheiten und die italienische Kultur ist.» Auch wirtschaftlich profitiere der Kanton. «Es fliesst ein Mehrfaches an finanzielle Ressourcen an uns zurück, als dass wir über die Serafe-Abgaben leisten», sagt Farinelli. «Das zeigt: Die Schweiz ist sehr solidarisch mit ihren Minderheiten.»
Gegenvorschlag als Option
Auch er ist nicht in allen Bereichen mit der SRG einverstanden. Daher ist für ihn ein Gegenvorschlag zur Initiative denkbar. «Eine Option wäre etwa eine Deckelung der SRG-Einnahmen oder eine Reduktion der umstrittenen Unternehmensabgabe», so Farinelli. Festlegen will er sich aber noch nicht. Eines ist aber klar: «Ich bin nun umso mehr motiviert, mich noch stärker gegen die Initiative zu engagieren.»