Zürich 2050 so heiss wie Mailand
«Es gibt keine schnellen Lösungen»

Schweizer Städte sind auf Hitzewellen nicht vorbereitet. Das werde sich so schnell nicht ändern, sagt der Präsident des Städteverbands, Anders Stokholm.
Publiziert: 30.07.2023 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 30.07.2023 um 14:36 Uhr
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An heissen Sommertagen lädt die Europaallee beim Zürcher HB kaum zum Verweilen ein.
Foto: Keystone
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Camilla AlaborRedaktorin

Der Juli brachte weltweit die höchsten je gemessenen Monatstemperaturen. In Athen mussten die Behörden zeitweise die Akropolis und andere Sehenswürdigkeiten schliessen; in der US-Stadt Phoenix zogen sich Obdachlose Verbrennungen zu, als sie auf dem Asphalt einschliefen; in China wurde mit 52,2 Grad ein neuer Rekord registriert.

Auch in der Schweiz machten die Juli-Temperaturen vielen zu schaffen. Besonders unangenehm ist es bei solchen Temperaturen in den Städten, die zu Hitzeinseln werden und auch über Nacht kaum abkühlen. In den Zentren ist es häufig bis zu zehn Grad wärmer als im Umland.

Die Erderwärmung wird die Situation zusätzlich verschärfen. In Zürich dürfte es laut ETH-Forschern im Jahr 2050 so heiss sein wie heute in Mailand (I). Und schon zehn Jahre darauf erreichen die Temperaturen in der Berner Altstadt gemäss Behörden das Niveau von Madrid.

Schweizer Städte nicht bereit

Doch noch sind Schweizer Städte auf ein solches Klima nicht ausgerichtet, wie das Beispiel der Zürcher Europaallee zeigt: Statt Bäumen dominieren Glas, Stahl, Beton. Und selbst bei Sanierungen von Strassen und Gebäuden setzen die Behörden oftmals noch auf Versiegelung – obwohl das Gegenteil nötig wäre: mehr Grün, mehr Wasser, mehr Luft.

Warum geschieht nicht mehr? Anders Stokholm (57), Präsident des Städteverbands, erklärt: «Was heute umgesetzt wird, wurde vor fünf oder zehn Jahren geplant.» Damals lag das Hauptaugenmerk nicht auf der Hitzeproblematik – sondern auf Verdichtung.

Selbst bei laufenden Projekten ist – beispielsweise – das Pflanzen von mehr Bäumen nahezu unmöglich. Stokholm: «Wenn die Städte etwas ändern, müssen sie den Plan wieder auflegen. Das führt zu jahrelanger Verzögerung.» Hinzu kommt: Die Vorschriften in den Bau- und Zonenordnungen sind zahlreich. In der Altstadt «muss laut Gesetz das Ortsbild erhalten bleiben», so der Städteverbandspräsident.

Und es gibt noch einen Grund, warum die Städte im Kampf gegen ihre Aufheizung nicht schneller vorwärtsmachen: der begrenzte Raum. Mehr Bäume heisst oft weniger Autos. Rekurse – und damit weitere Verzögerungen – sind in solchen Fällen programmiert.

Anders Stokholm hat dennoch keinen Zweifel: «Mittelfristig werden wir in manchen Fällen Fahrspuren verschmälern oder auf Parkplätze verzichten müssen, um für Beschattung zu sorgen.»

Anwohner wehren sich gegen Bäume

Dass dies nicht einfach ist, weiss er aus Erfahrung: «Als ich Gemeindeammann einer kleineren Thurgauer Gemeinde war, wollten wir auf einer Strasse die Geschwindigkeit reduzieren und drei Bäume pflanzen. Da sammelten die Anwohner Unterschriften gegen die Bäume.» Sie störten sich an den Blättern, die im Herbst fallen.

Dasselbe erlebe er heute als Stadtpräsident von Frauenfeld, sagt Stokholm. «Wenn wir Bäume pflanzen wollen, gibt es immer einen Teil der Bevölkerung, der sich dagegen wehrt: Sie fürchten, dass die Blätter auf der Fahrbahn oder in ihrem Garten landen, oder dass Bäume die Sicht versperren.» Entscheidend sei, die Bevölkerung mitzunehmen. «In vielen Fällen gibt es keine schnellen Lösungen», so Stokholms Fazit. «Wir können das Hitzeproblem in den nächsten fünf Jahren nicht aus der Welt schaffen.»

Aber es gibt auch Beispiele dafür, wie Städte trotz aller Hindernisse Abhilfe gegen die hohen Temperaturen schaffen. Christine Bächtiger (53), stellvertretende Leiterin Klimastrategie der Stadt Zürich, nennt die Fassadenbegrünung des Spitals Triemli, ein Betonhochhaus am Rande der Stadt. Wegen Brandschutzauflagen war eine Begrünung über mehrere Etagen nicht möglich. Stattdessen hat die Stadt nun auf jeder Etage kleinere Tröge aufstellen lassen – insgesamt wurden 4600 Pflanzen eingetopft.

Als weiteres Beispiel erwähnt die Fachfrau eine Neuanpflanzung von 48 Bäumen an der Heinrichstrasse in Zürich – im Gegenzug wurden 14 Parkplätze aufgehoben. Diese Beispiele zeigten, so Bächtiger: «Auch bei bestehenden Gebäuden und Strassen ist vieles möglich.»

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