ETH-Forscher Reto Knutti fordert
«Wir brauchen eine Klima-Taskforce»

Umweltministerin Sommaruga will den Klima-Beirat auflösen. Wissenschaftler und Politiker verlangen nun ein Gremium mit mehr Biss.
Publiziert: 03.10.2021 um 16:58 Uhr
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Aktualisiert: 03.10.2021 um 19:53 Uhr
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Klimawissenschaftler Reto Knutti von der ETH Zürich wünscht sich für die Schweiz eine Klima-Taskforce, analog zur Covid-Taskforce.
Foto: STEFAN BOHRER
Camilla Alabor

Bis zur Ankündigung seiner Abschaffung ahnte kaum jemand etwas von seiner Existenz: Das OcCC, ein Expertengremium zur Beratung des Umweltdepartements in Klimafragen, fristete ein Nischendasein. Erst als die «NZZ am Sonntag» publik machte, dass Bundesrätin Simonetta Sommaruga (60) das Mandat des Klima-Beirats per Ende Jahr auslaufen lässt, tauchte das Gremium aus der Versenkung auf – kurz vor seiner Auflösung also.

Dies allein macht deutlich, wie bescheiden seine Rolle war: zumindest wenn es darum ging, die öffentliche Debatte zu beeinflussen. Nun steht die Frage im Raum, ob es eine Nachfolgeorganisation für das OcCC gibt. Und falls ja, wie sichtbar sie operieren soll.

Wissenschaft und Politik soll zusammenarbeiten

Aus Sicht der Wissenschaft ist klar: Sie wünscht sich eine Klima-Taskforce, die Lösungsvorschläge in die Politik einbringt – und nicht, wie bisher, die Verwaltung hinter verschlossenen Türen berät. «Ansonsten ist es für die Politik zu einfach, die Ratschläge der Wissenschaft zu ignorieren», sagt Reto Knutti (48), Klimaforscher an der ETH Zürich.

Seiner Meinung nach braucht es ein Gremium für den Austausch zwischen Wissenschaft und Politik. «Aber eines, das sich klar in der Öffentlichkeit positionieren und in die Debatte einbringen kann.» In der Corona-Pandemie habe man gesehen, wie wichtig es sei, dass die Wissenschaft eine Stimme habe – und nicht nur Lobbyorganisationen wie Economiesuisse, die dank ihres Netzwerks direkten Zugang zum Bundesrat hätten. Der Klimaforscher verweist auf Deutschland, wo die Regierung schon lange mit einem solchen Klima-Beirat zusammenarbeitet.

Thomas Stocker (62), Klimaforscher an der Uni Bern, pflichtet Knutti bei. Die Schweiz brauche einen «Klima-Think-Tank», wie er es nennt. «Das Mandat dafür müsste aber von zuoberst kommen, vom Gesamtbundesrat. Denn Klimaschutz ist eindeutig Chefsache.»

Mit anderen Worten: Der Austausch mit dem Klima-Beirat soll sich nicht auf das Umwelt- und Verkehrsdepartement (Uvek) beschränken. «Wenns um den Klimawandel geht, sind alle sieben Departemente betroffen: Wirtschaft, Finanzen, Armee, Gesundheit, Innovation, und so weiter», sagt Stocker.

Deshalb sei die breite Abstützung eines solchen Gremiums wichtig, ergänzt Klimawissenschaftlerin Sonia Seneviratne (47) von der ETH Zürich: «Es braucht neben Klimaforschern auch Experten für Energie, Umwelt und die Gesellschaft.»

Bundesrat ist gefragt

Auch das Parlament fordert den Bundesrat zum Handeln auf. Mitte-Ständerat Othmar Reichmuth (57) hat diese Woche einen Vorstoss eingereicht, in dem er verlangt, das OcCC durch eine neue Expertenkommission zu ersetzen. Unterschrieben haben die Motion Politiker von FDP, SP und Grünen.

Die Abschaffung des bestehenden Gremiums müsse vom Bundesrat genutzt werden, um die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wissenschaft zu verbessern, schreibt Reichmuth in seinem Vorstoss.

Allerdings hat Umweltministerin Sommaruga bereits entschieden, wie es weitergehen soll: Neu soll Proclim das Mandat des OcCC übernehmen. Proclim, das «Forum für Klima und den globalen Wandel», ist Teil der Schweizer Akademien der Wissenschaften.

«Der Vertrag zwischen Uvek und Proclim liegt in groben Zügen vor, ist aber noch nicht unterschrieben», bestätigt Urs Neu, Geschäftsleiter ad interim von Proclim. Er betont, Proclim werde sich nicht darauf beschränken, klimapolitische Anfragen aus dem Uvek zu beantworten. Schon heute mache man «manchmal» Empfehlungen an die Politik.

Den Beteuerungen von Proclim zum Trotz: Die Angst der Forscher vor einer zahnlosen Organisation, deren Empfehlungen ihren Weg nie an die Öffentlichkeit finden, ist gross. Denn ohne profilierte Persönlichkeiten, die sich engagieren, wird kaum je eine öffentliche Debatte stattfinden.

Das hat die stille Existenz des OcCC zur Genüge bewiesen.

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