Die Ansage des Bundesrats am Mittwoch liess an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. «Es ist klar, dass mit dem heutigen Entscheid Terrassen geschlossen sein müssen», sagte Gesundheitsminister Alain Berset (48) auf die Frage, was denn die Weiterführung des Beizen-Lockdowns bis mindestens 22. März für die Restaurants in den Skigebieten bedeute.
Denn obwohl auch am Pistenrand nur Take-away erlaubt ist, gestatten sechs Kantone ihren Ski-Beizen, den Gästen die Terrassen für den Verzehr von Speisen und Getränken zur Verfügung zu stellen. Ihr Argument: So liessen sich Abstände viel besser einhalten, als wenn alle Skifahrer nebeneinander im Schnee sitzen.
Graubünden gab nach – andere bleiben stur
Graubünden gab kurz darauf nach: Ab heute Donnerstag sind die Skiterrassen geschlossen – auch wenn man den Entscheid aus Bern nicht nachvollziehen könne, beuge man sich dem Bundesrecht. Denn sonst, so die Argumentation der Bündner, könnten sich künftig auch Gemeinden gegen Kantonsrecht wehren.
Andere Kantone geben sich widerspenstiger. Heute Donnerstag trafen sich die Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren aus Nid- und Obwalden, Uri, Schwyz, Zug und Luzern. Ausser Luzern und Zug haben diese Kantone gestattet, die Terrassen zu öffnen.
Sechs Kantone proben den Aufstand
Eine Einigung hat man nicht gefunden. Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri, Glarus und das Tessin widersetzen sich weiterhin dem Bundesrecht und lassen ihre Terrassen vorerst offen, wie Kantonsvertreter bestätigen.
«Der Kanton Nidwalden hat bezüglich den Ski-Terrassen noch keinen abschliessenden Entscheid gefällt», sagt etwa Gesundheitsdirektorin Michèle Blöchliger. An der aktuellen Situation ändere sich daher vorerst nichts. «Es besteht nach wie vor die Ansicht, dass die Zuständigkeit für den Betrieb der Skigebiete bei den Kantonen liegt und diese auch den Umgang mit den Personenströmen und Abstandsregeln bei Takeaway-Angeboten umfasst.»
Die Zentralschweizer Kantone hätten sich daher geeinigt, nochmals das Gespräch mit Bundesrat Alain Berset zu suchen, weil man an einer guten Zusammenarbeit interessiert sei. Zudem wolle man dem Bundesrat die bisher positiven Erfahrungen mit den geöffneten Skiterrassen erläutern. Daraus könnten womöglich «wertvolle Erkenntnisse für die nachfolgende Öffnung von Restaurantterrassen in der ganzen Schweiz» abgeleitet werden, so Blöchliger. Die Nidwaldner Regierungsrätin betont: «Wir wollen keinen Streit, sondern eine Lösung.»
Bündner bringen Urner in Zugzwang
Nicht ganz so rebellisch tönt es aus dem Kanton Uri. «Der Regierungsrat wird noch diese Woche entscheiden, wie es ab dem kommenden Montag weitergeht», heisst es auf Anfrage. Sprecher Adrian Zurfluh betont, dass man «keine Fundamentalopposition» betreibe. «Wir sind uns bewusst, dass es wichtig ist, dass Bund und Kantone am selben Strick ziehen. Aber wir bauen auch darauf, dass gute Lösungen der Kantone beim Bund auch Gehör finden.»
Der Kanton Uri befindet sich in einer speziellen Situation, weil man das Skigebiet Andermatt-Sedrun-Disentis mit Graubünden teilt. Man dürfte sich gut überlegen, ob es wirklich Sinn macht, wenn die Terrassen auf der einen Seite geschlossen und auf der anderen Seite offen sind.
Regierungsrat Christian Arnold sagt gegenüber «20 Minuten», noch am Donnerstagabend werde es ein Treffen mit Gesundheitsminister Berset geben.
Bundesrat erinnert Kantone an ihre Aufgabe
Ob Berset auf das Gesprächsangebot der Kantone eingeht, ist fraglich. Er hat sowohl am Mittwoch als auch am Donnerstag die bundesrätliche Haltung klar gemacht: «Es wäre für mich ziemlich neu, dass man sich in der Schweiz bewusst nicht an das Bundesrecht hält.»
Bundesratssprecher André Simonazzi teilt auf Anfrage von BLICK mit, dass Berset und auch Bundespräsident Guy Parmelin regelmässig Vertreterinnen und Vertreter kantonaler Regierungen und Konferenzen treffen würden. «Dabei werden unterschiedliche Themen angesprochen, auch dieses Thema.»
Es sei im gegenseitigen Interesse vom Bund und Kantonen, dass die Gesetzordnung respektiert werde. «Es ist auch eine Kernaufgabe von Regierungen in einem Rechtsstaat, die gesetzliche Ordnung durchzusetzen. Der Bund ist überzeugt, dass die kantonalen Regierungen ihre institutionellen Aufgabe wahrnehmen», so Simonazzi – und lässt damit durchblicken, was die Regierung vom Benehmen der Rebellen-Kantone hält.
«Ich bedaure, dass Bündner eingeknickt sind»
Das Nachgeben Graubündens hat die Position der sechs Verweigerer zudem geschwächt. «Ich bedaure, dass die Bündner eingeknickt sind», sagt die Nidwaldner Regierungsrätin Blöchliger. «Das hat natürlich eine gewisse Signalwirkung.»
Der Kanton Graubünden macht zwar, was der Bund ihm vorschreibt. Nur: Die Skigebiete proben den Aufstand. So zum Beispiel auf der Munggä Hütta im Parsenn-Skigebiet über Davos. Dort soll die Terrasse noch länger geöffnet bleiben – Bundesrats-Entscheid hin oder her.