FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) will den Bundeshaushalt ins Lot bringen – und dafür auch bei der AHV den Rotstift ansetzen. Ihr brisanter Plan: Der Bund soll künftig weniger in die AHV-Kasse zahlen, dafür soll die Mehrwertsteuer steigen.
Heute muss der Bund nämlich 20,2 Prozent der jährlichen AHV-Ausgaben stemmen. Satte 9,7 Milliarden Franken letztes Jahr. Da die Zahl der Rentner steigt, nehmen auch die Kosten für den Bund zu.
«Die AHV-Ausgaben dürften in den nächsten 10 Jahren mit durchschnittlich 4 Prozent pro Jahr deutlich stärker wachsen als die Wirtschaft», warnte Keller-Sutter ihre Gspänli im März in einem Papier, welches Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz vorliegt. Dabei handelt es sich um Unterlagen der verwaltungsinternen Ämterkonsultation. «Der Bundesbeitrag würde demnach von gut 10 Milliarden 2023 auf rund 15 Milliarden 2033 ansteigen.»
Mehrere Milliarden weniger
Zu viel für die Sparfüchsin. Vom Bundesrat hat sie sich den Auftrag abgeholt, bis Ende Februar 2024 weitere Entlastungsmassnahmen vorzuschlagen. «Das EFD hat den Auftrag erhalten, in Zusammenarbeit mit dem EDI Varianten für eine Entflechtung des AHV-Haushaltes vom Bundeshaushalt zu prüfen», bestätigt die Finanzverwaltung gegenüber Blick.
In welche Richtung es dabei gehen soll, skizziert Keller-Sutter in ihrem Diskussionspapier. Die Idee: Der AHV-Beitrag soll sich am Wirtschaftswachstum orientieren, konkret an den Mehrwertsteuereinnahmen. Diese wachsen jährlich nur um 2,5 Prozent.
Würde der Bund seinen AHV-Zustupf auf dieses Wachstumstempo anpassen, könnte er bis 2030 insgesamt über 2 Milliarden Franken sparen, bis 2033 sogar 6,5 Milliarden Franken!
Höhere Mehrwertsteuer als Kompensation
Geld, das der AHV fehlen würde. Als Kompensation prüft Keller-Sutter deshalb auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. In einem ersten Schritt wäre bis 2030 eine Erhöhung um «rund 0,2 Prozentpunkte nötig», heisst es im Papier. Das wären rund 600 Millionen Franken jährlich, welche neu die Konsumentinnen und Konsumenten schultern müssten. Danach bräuchte es weitere Einnahmequellen.
Im Innendepartement von SP-Sozialminister Alain Berset (51) stiess die Idee auf wenig Anklang: Die Entflechtung sei im Parlament schon bei der Altersvorsorge 2020 chancenlos gewesen, «aber das EFD kann es nochmals versuchen», kommentierte Bersets Generalsekretariat lakonisch.
Zoff um Bundesbeitrag
Keller-Sutters Sparpläne sorgen auch anderorts für Zoff mit Berset. Ursprünglich wollte die Finanzministerin den Bundesbeitrag schon ab 2025 für fünf Jahre auf 19,9 Prozent kürzen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. Diese «Übergangsmassnahme» hätte den Bundeshaushalt um rund 900 Millionen entlastet.
Doch die Blick vorliegenden Dokumente belegen, dass sie noch mehr wollte. Der Bundesbeitrag sollte später nämlich nur noch «in jenem Umfang wieder erhöht werden können, wie die leistungsseitigen Reformen den Bundeshaushalt entlasten». Maximal auf die heutigen 20,2 Prozent. Berset konnte diese Attacke auf die AHV an der Bundesratssitzung von Ende März aber abwehren.
Angriff auf Witwenrenten
Nicht jedoch den Angriff auf die Witwen- und Kinderrenten. Hier hat sich Keller-Sutters härtere Gangart durchgesetzt. Sie machte ihren Gspänli deutlich, dass der Bund «nur über Leistungsreduktionen» entlastet werden könne. Eine Witwenrente soll es künftig nur noch geben, bis das jüngste Kind 25 Jahre alt ist – so wie das heute schon für Witwer gilt. Weiter sollen auch die Kinderrenten für Pensionierte überprüft werden. Mindestens 500 Millionen soll die AHV damit ab 2026 sparen, der Bund mindestens 100 Millionen.
Berset kämpfte vergeblich für ein milderes Modell und wollte die laufenden Witwenrenten weitgehend verschonen. Für Witwen ab 50 sollte quasi eine Besitzstandgarantie gelten, womit rund 95 Prozent der gut 174'000 bestehenden Renten nicht angetastet worden wären. Im Modell des Finanzdepartements sollen nur Witwen ab Alter 58 – das entspricht rund 84 Prozent – ungeschoren davon kommen.
Berset plädierte für weitere Abfederungsmassnahmen wie etwa eine drei- statt nur einjährige Übergangsfrist. Von den Kinderrenten für Pensionierte wollte der SP-Mann die Finger lassen, während Keller-Sutter auf neue Kinderrenten verzichten will.
«Politisch schwierig angesichts der CS-Geschichte»
Vergeblich warnte das Innendepartement, Massnahmen im AHV-Bereich seien «politisch schwierig, insbesondere angesichts der CS-Geschichte». Stattdessen muss Berset nun bis Ende September eine Vernehmlassungsvorlage erarbeiten.
Die angepeilte harte Variante dürfte die AHV bis Mitte der 2030er-Jahre um gut 1 Milliarde und den Bund um 270 Millionen Franken entlasten. In der Berset-Version wäre es nur gut die Hälfte geworden.