Der Entscheid für die AHV-Reform fiel knapp aus, aber deutlich gegen die Mehrheit der Frauen. Sie müssen künftig bis 65 arbeiten. Einer Übergangsgeneration von neun Jahrgängen wird die Verschlechterung mit einem Rentenzuschlag von bis zu 160 Franken monatlich versüsst.
Ein Zückerchen mit bitterem Nachgeschmack, wie sich nun zeigt. SP-Sozialminister Alain Berset (50) will den Rentenzuschlag von der Lohn- und Preisentwicklung ausnehmen. So sieht es die neue AHV-Verordnung vor, die bis Freitag in der Vernehmlassung ist. Das heisst: Auch bei einem massiven Teuerungsschub – letztes Jahr waren es 2,8 Prozent – bleibt die Rentenzulage immer gleich. Lebenslänglich.
Rentenzuschläge verlieren an Wert
«Das ist ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Frauen», sagt Travailsuisse-Geschäftsleiterin Edith Siegenthaler (39) zu Blick. «Je nach Entwicklung der Inflation verlieren die Rentenzuschläge dadurch stark an Wert, die Kaufkraft sinkt.»
Der Gewerkschaftsdachverband hat berechnet, wie gross der Wertverlust ist. Bei einer Lebenszeit von 22 Jahren nach der Pensionierung und einer durchschnittlichen Teuerung von 2 Prozent verliert der Zuschlag bis zum Lebensende über ein Drittel an Wert, bei 3 Prozent Teuerung sogar fast die Hälfte. «Einmal mehr wird auf dem Buckel der Frauen gespart.»
Nachdem Bundesrat und Parlament den Rentnerinnen bereits den vollen AHV-Teuerungsausgleich verweigert haben, setzte sich die Geschichte bei den Frauen fort. «Dies ausgerechnet bei jener Generation, die sonst schon benachteiligt wurde – etwa weil sie tiefere Löhne erhielten, nur weil sie Frauen sind.»
Im Abstimmungskampf kein Thema
Klar ist: Die ordentlichen AHV-Renten werden in der Regel alle zwei Jahre der Lohn- und Preisentwicklung angepasst – und unterliegen damit dem sogenannten Mischindex.
Dass es beim Rentenzuschlag anders sein soll, begründen Bersets Beamte damit, dass der Zuschlag «ausserhalb des Rentensystems ausgerichtet wird», wie es in den Vernehmlassungsunterlagen heisst. «Der einmal festgesetzte Rentenzuschlag wird somit unverändert während der ganzen Bezugsdauer der Altersrente ausgerichtet.» Auf Nachfrage erklärt das Bundesamt für Sozialversicherungen, das Parlament hätte den Mischindex ansonsten auf den Rentenzuschlag ausweiten müssen. «Dies wurde absichtlich nicht getan.»
Bloss, in der Ratsdebatte oder im Abstimmungskampf war nie die Rede davon, dass damit der Teuerungsausgleich für den Rentenzuschlag hinfällig wird. Im Hintergrund-Dokument «Was die Reform für die Frauen bedeutet», das der Bund im Vorfeld der Abstimmung veröffentlicht hat, steht kein Wort dazu. In einem anderen Hintergrund-Dokument wird vielmehr betont, dass der Rentenzuschlag ausserhalb des Rentensystems erfolge, damit er nicht dem Ehepaar-Plafond unterliege.
Klausel gegen Frauen ausgelegt
Hier setzt auch die Kritik der Grünen an. «Bei der Ausgestaltung der Kompensationsmassnahmen sorgte der Gesetzgeber explizit dafür, dass die Zuschläge nicht der Plafonierung unterliegen», schreiben sie in der Vernehmlassung. Nun setze der Bundesrat «dieselbe Klausel ohne Not zum Nachteil der betroffenen Frauen der Übergangsgeneration ein».
Auch die Seniorenorganisation Pro Senectute plädiert für die Anwendung des Mischindex, da viele der betroffenen Frauen «aufgrund der gesellschaftlichen Umstände während ihrer aktiven Beitragszeit vielfach nur geringe Einlagen in die zweite Säule tätigen konnten». Daher sei es zentral, mit einer regelmässigen Anpassung einer Entwertung der Zuschläge entgegenzuwirken.
Travailsuisse-Frau Siegenthaler hält die behördliche Argumentation für nicht nachvollziehbar. «Der Bundesrat lässt die Frauen im Stich», sagt sie. «Berset muss die Vorlage dringend korrigieren.»