Am Freitag verpflichteten sich Vertreter der Ukraine und Russlands in Istanbul, das Schwarze Meer wieder für Getreideexporte zu öffnen. Hat die Abmachung bestand, könnten Millionen von Tonnen Getreide, die seit Kriegsausbruch blockiert sind, endlich ausgeführt werden. Getreide, das vielerorts dringend gebraucht wird.
Während damit ein gewichtiger Faktor für die bedrohlich gestiegenen Lebensmittelpreise gedämpft wird, appelliert das Welternährungsprogramm (WFP) der Uno weiterhin an die Staatengemeinschaft, die Beitragszahlungen zu erhöhen. Auf über 22 Milliarden US-Dollar schätzt das WFP dieses Jahr die Kosten, um in Staaten wie Afghanistan, Jemen, Sudan oder Somalia das Schlimmste noch abzuwenden. In Ländern, in denen der Hunger auch bei stabiler Marktlage wütet. Ob die notwendigen Mittel aber zusammenkommen, ist unsicher. Erst die Hälfte wurde bislang tatsächlich gesprochen.
Gleiche Beiträge wie 2021
Zur Debatte steht auch das Engagement der Schweiz. Zuständig für den Beitrag des Bundes ist die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) im Aussendepartement (EDA) von Bundespräsident Ignazio Cassis (61).
Die Schweiz strebe für 2022 Gesamtbeiträge von 100 Millionen Franken an das WFP an, schreibt das Departement auf Anfrage. Das entspricht der Summe von 2021. Nie hatte die Schweiz mehr beigesteuert. «Sollte sich die Situation von 2022 auch 2023 fortsetzen, was zu erwarten ist, könnte die Deza Beiträge in ähnlicher Höhe beschliessen», betont das EDA.
350 Millionen Menschen von Hunger betroffen
Aber der Druck auf den Bund, rasch nachzulegen, wächst. Der Schweizer Jakob Kern ist Vizestabschef des Welternährungsprogramms. Den Ausfall der ukrainischen Lieferungen alleine hätte man noch auffangen können, sagte Kern kürzlich gegenüber «Agrarpolitik – der Podcast». Viele Länder aber hätten in der Folge aus Vorsicht ihre Exporte gedrosselt. Die Preisspirale drehte sich weiter. Nun sind weltweit beinahe 350 Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Zusätzliche Mittel aus der Schweiz wären schön, so Kern diplomatisch.
Ende Juni aber lehnte die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats den Vorschlag knapp ab, das Engagement beim WFP zügig um 200 Millionen Franken zu erhöhen. 12 Parlamentarier stimmten dafür, 13 dagegen. Im September folgt die Debatte im Parlament, der Ausgang ist offen.
Badertscher: «Die Schweiz hat eine Verantwortung»
Dabei müsse es schnell gehen, sagt die Grünen-Nationalrätin Christine Badertscher (40). «Die Schweiz hat als reiches Land in dieser Situation eine Verantwortung.» Da sich der parlamentarische Prozess bis Ende Jahr hinziehe, wäre es angezeigt, dass der Bundesrat mit einem Vorschlag das Tempo beschleunigt, sagt die Bernerin. Derzeit drehe sich die Diskussion um die Finanzierung der Nothilfe, so Badertscher «Wir kommen aber nicht darum herum, uns darüber Gedanken zu machen, wie wir die betroffenen Staaten unabhängiger machen von Lebensmittelimporten.» Es brauche Massnahmen, die auch dann noch griffen, wenn die Exporte aus der Ukraine wieder in Gang gekommen seien.