Hunger und Armut bereiten Sorgen, wie eine ETH-Studie zeigt
Schweizer wollen mehr Geld für Entwicklungshilfe

Eine neue ETH-Umfrage zeigt: Schweizerinnen und Schweizern bereitet die Armut in der Welt Sorgen. Eine Mehrheit fordert höhere Ausgaben für die Bekämpfung von Hunger.
Publiziert: 29.06.2022 um 11:37 Uhr
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55 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind der Meinung, dass die öffentlichen Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit erhöht werden sollte.
Foto: AFP
Sophie Reinhardt

Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine führten weltweit zu mehr Armut. Laut der Uno sind aktuell 345 Millionen Menschen von akutem Hunger bedroht. Und, so warnt die Organisation, die Lage dürfte sich noch dramatisch verschärfen. Es brauche mehr Geld für die Armutsbekämpfung.

Die Schweizerinnen und Schweizer würden gern mehr geben. Das zeigt eine neue, repräsentative Studie der ETH Zürich. Forschende haben Ende 2021 rund 2800 Personen zur Entwicklungszusammenarbeit befragt. Und 55 Prozent von ihnen sind der Meinung, dass die Schweiz mehr Geld für die Entwicklungshilfe ausgeben sollte.

Politik ist knausriger

Ganz anders sieht das die Politik: Erst am Dienstag lehnte die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats einen Antrag der SP ab, der angesichts der Nahrungsmittelknappheit aufgrund des Ukraine-Kriegs mehr Geld für die Armutsbekämpfung forderte. Immerhin sprach sich eine Mehrheit der Kommission dafür aus, dass sich die Schweiz im Uno-Sicherheitsrat dafür einsetzt, dass die weltweite Hunger- und Ernährungskrise prioritär behandelt wird.

2021 gingen rund 3,6 Milliarden Franken in die öffentliche Entwicklungshilfe. Weniger als die meisten Schweizerinnen und Schweizer meinen, wie die ETH-Studie zeigt. Legten die Forschenden nämlich offen, wie viel Geld die Schweiz für die Armutsbekämpfung ausgab – nämlich jährlich 350 bis 400 Franken pro Einwohner – waren deutlich mehr Bürger als die 55 Prozent für eine höhere Unterstützung: Dann befürworteten 71 Prozent der Befragten eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben zur Reduktion der globalen Ungleichheit.

Wir unterschätzen, wie reich wir sind

Gleichzeitig unterschätzten die Befragten, wie gut es ihnen finanziell geht: Lediglich eine von zehn befragten Personen gab an, dass sie sich selbst zu den reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung zählt. Tatsächlich gehören aber kaufkraftbereinigt 60 Prozent der in der Schweiz lebenden Personen zu dieser Bevölkerungsgruppe, teilt die ETH mit.

Schweizerinnen und Schweizer engagieren sich aber auch privat stark. Jeder Dritte spendet an Organisationen, die sich für die globale Armutsbekämpfung einsetzen. Die Umfrage zeigt zudem, dass die Bevölkerung auch politische Massnahmen unterstützt, die mit potenziellen Einbussen für die Schweizer Wirtschaft verbunden sind. So würden 70 Prozent der Befragten den Patentschutz für Covid-Impfstoffe im Interesse ärmerer Länder temporär aufheben.

Weltweite Armut sinkt

Was viele gemäss Umfrage nicht wissen: In den letzten Jahren hat die Armut abgenommen. Die Anzahl der Menschen, die von weniger als zwei Dollar am Tag leben müssen, ist in den letzten zwei Jahrzehnten um mehr als die Hälfte zurückgegangen. «Heute leben weniger als 800 Millionen Menschen in extremer Armut, während es im Jahr 2000 noch über 1,6 Milliarden waren», so ETH-Forscherin Isabel Günther.

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