Seit seinem Rücktritt von der Parteispitze vor zwei Jahren stand Albert Rösti (55) nicht mehr so stark im Fokus der Öffentlichkeit. Nun ist der Berner Nationalrat zurück im Scheinwerferlicht – als Kronfavorit für die Nachfolge von Bundesrat Ueli Maurer (71).
Er überlege sich eine Kandidatur, sagte Rösti am Wochenende. Kollegen aus dem Nationalrat sagen: Er will. Und man ist sich einig: Er kann. In der SVP-Fraktion geniesst Rösti von allen potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten, die derzeit gehandelt werden, am meisten Rückhalt. Gelobt werden sein Stil, sein Charakter, seine Dossierfestigkeit, seine Französischkenntnisse. Auch bei den anderen Parteien ist der Berner hoch im Kurs. «Das Parlament will Rösti», sagt ein Nationalrat aus dem linken Lager.
Unsicherheitsfaktor Blocher
Beste Voraussetzungen für einen Bundesrat Rösti. Doch die Frage ist: Bekommt er auch den Segen von Christoph Blocher (81)? Gehts um so wichtige Posten, hat nämlich dieser noch immer ein entscheidendes Wort mitzureden. Und es könne durchaus sein, dass der SVP-Übervater sein Veto gegen Rösti einlege, sagt ein Fraktionsmitglied. Schliesslich habe dieser Rösti auch als Parteipräsident abgesägt. Der Favorit des Parlaments – er ist nicht der Favorit in Herrliberg ZH.
Auch dem Zürcher Nationalrat Gregor Rutz (49) könnte die fehlende Nähe zu Blocher zum Verhängnis werden, heisst es – sofern er denn überhaupt kandidieren will. Bisher hat er sich noch nicht in die Karten blicken lassen.
Geheimfavoritin Friedli?
Eine Kandidatin von Blochers Gnaden wäre derweil Esther Friedli (45). Erst seit drei Jahren sitzt die St. Gallerin mit Berner Dialekt im Nationalrat. Sie machte bisher kaum von sich reden, ist der Prototyp einer stillen Schafferin. Nicht das, was die Partei eigentlich sucht, schliesslich hat man mit Guy Parmelin (62) schon einen Bundesrat, der auffällig unauffällig ist.
Dennoch attestiert man ihr in der Fraktion durchaus das Zeug zur Magistratin. Obwohl erst so kurz dabei, sitzt Friedli bereits in der mächtigen Wirtschaftskommission, ja ist sogar deren Vizepräsidentin. Zudem ist sie Programmchefin der SVP – was zeigt, dass nicht nur ihr Lebenspartner Toni Brunner (48), sondern auch sie auf vollen Blocher-Support zählen kann.
Linke halten sie für eher wählbar als Rutz. Sollte allerdings der Eindruck aufkommen, es handle sich um eine Kandidatin Blochers, «dann ist das Rennen gelaufen», gibt ein Parlamentarier zu bedenken. Zudem werden Zweifel geäussert, ob Friedli überhaupt will.
Schlechtes Timing für Rickli
Das ist auch bei Natalie Rickli (45) unklar. Mit ihrer Corona-Politik hat sich die Zürcher Gesundheitsdirektorin in ihrer Partei bei manchem unbeliebt gemacht. Für Blocher, der in einem Interview zum Impfen aufgerufen hatte, sollte das allerdings kein K.-o.-Kriterium sein. Das grössere Problem ist das Timing: Im Februar, zwei Monate nach den Bundesratswahlen, sind Zürcher Regierungsratswahlen. «Aus Sicht der Zürcher SVP müsste man eine Kandidatur Rickli intensiv prüfen», sagt der Zürcher SVP-Nationalrat Mauro Tuena (50).
Der Partei steht ein schwieriger Entscheid bevor. Mitte November will die Findungskommission das Bundesratsticket präsentieren. Praktisch fest steht, dass darauf mehrere Namen stehen werden. Man werde dem Parlament wohl eine Auswahl geben, sagt SVP-Präsident Marco Chiesa (47) im SonntagsBlick. Am wahrscheinlichsten sind zwei Kandidierende, theoretisch möglich wäre aber auch ein Dreierticket.