Das Schwing- und Älplerfest auf der Engstlenalp mit 3000 Besuchern, die Velokurier-EM in der Region Basel mit 1000 Personen, das Open Air Malans GR mit 1400 Musikliebhabern oder der Marché-Concours im Saignelégier JU, der normalerweise gut 15'000 Zuschauer anlockt. Sie alle teilen dasselbe Schicksal. Sie wären diese Woche über die Bühne gegangen und mussten wegen der Corona-Krise abgesagt oder verschoben werden.
So wie Hunderte andere Grossveranstaltungen in diesem Jahr: Allein für den Zeitraum Mai bis September listet das Innendepartement in einem Aussprachepapier vom April 715 kulturelle und 829 sportliche Grossveranstaltungen auf, die über 1000 Personen zählen. Drei Viertel der Anlässe erwarteten dabei 1000 bis 5000 Besucher, 5 Prozent zwischen 5000 und 10'000 Personen, und jede fünfte Veranstaltung hätte über 10'000 Besucher gezählt.
Doch seit Ende Februar sind Grossanlässe mit über 1000 Personen verboten – vorerst befristet bis Ende August. Bereits denkt der Bundesrat über eine Verlängerung bis Ende März 2021 oder eine Bewilligungspflicht nach (BLICK berichtete).
Schutzkonzepte statt Verbote
Während die kantonalen Gesundheitsdirektoren für eine Verbotsverlängerung bis Ende Jahr plädieren, ist bei den Sportverbänden und Eventveranstaltern Feuer im Dach. Denn die neue Fussball- und Eishockeysaison steht vor der Tür. Und im September steht in der Westschweiz die Rad-WM mit 1200 Athleten und 400'000 Zuschauern auf dem Programm – und auf der Kippe.
Auch aus der Politik kommt Widerstand. «Grossveranstaltungen können nicht bis Ende Jahr verboten bleiben», sagt FDP-Nationalrat und YB-Fan Christian Wasserfallen (39, BE) zu BLICK. «Für den Sport wäre das eine Katastrophe, und viele Klubs würden sterben.» Für ihn liegt die Alternative auf der Hand: «Die Ligen haben Schutzkonzepte erarbeitet, und diese werden nun ausgefeilt.»
So könnten in den Stadien etwa nur Sitzplätze angeboten, eine Maskenpflicht eingeführt und nur einheimische Zuschauer zugelassen werden. «Für Grossveranstaltungen braucht es keine Verbote, sondern Schutzkonzepte», so Wasserfallen. «Der Bundesrat muss jetzt rasch Klarheit schaffen.»
Veranstalter brauchen Planungssicherheit
Eigentlich wollte Gesundheitsminister Alain Berset (48) noch «vor dem Sommer» das Verbot nochmals evaluieren und über eine weitere Verlängerung entscheiden – stattdessen bestätigte der Bundesrat im Juni aber nur die aktuelle Frist. Entscheiden wird der Bundesrat frühestens an seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause am 12. August.
Dabei ist Zeit ein entscheidender Faktor, wie Berset in einem Aussprachepapier vom April einräumt. «Mit einer im Bedarfsfall möglichst frühen Absage oder Verschiebung des Anlasses kann der entstehende Schaden für die Organisatoren in der Regel erheblich reduziert werden», heisst es im Papier, welches BLICK gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz erhalten hat. Es brauche oft einen Vorlauf von mehreren Monaten. Die Organisatoren seien daher «grundsätzlich auf möglichst verbindliche Rahmenbedingungen und längerfristige Planungssicherheit angewiesen».
Skepsis beim Finanzdepartement
Berset selbst hatte das Verbot ursprünglich bis Ende September ausdehnen wollen, war bei seinen Kollegen aber abgeblitzt. Diesmal dürfte er auf noch mehr Widerstand stossen. So zeigte sich das Finanzdepartement von SVP-Bundesrat Ueli Maurer (69) schon im April skeptisch, wie die damalige Ämterkonsultation zeigt, die BLICK ebenfalls vorliegt.
Die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) wandte ein, dass zumindest geprüft werden sollte, ob unter Einhaltung der Regeln von Social Distancing «in den grossen Stadien nicht eine begrenzte Anzahl Zuschauerinnen und Zuschauer zugelassen werden könnte» – ja sogar «mehr als 1000 Personen». Gleichzeitig zeigte sie Verständnis, «dass die Organisation sehr anspruchsvoll wäre». Zwar verzichtete die Finanzverwaltung darauf, auf einer Differenz zu beharren. Doch schon im Mai regte die EFV-Vertretung im bundesrätlichen Corona-Krisenstab an, bei Grossveranstaltungen «gezielt» Schutzmassnahmen für «diese speziellen Risikosituationen» einzusetzen. Das Finanzdepartement dürfte auch jetzt wieder auf diese Linie pochen.
Allgemeine Maskenpflicht statt Veranstaltungsverbot
Für FDP-Mann Wasserfallen ist jedenfalls klar: «Dass Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern auf engstem Raum wieder erlaubt sind, Grossveranstaltungen mit entsprechenden Schutzkonzepten aber nicht, das versteht kein Mensch. Die Tausendergrenze muss jetzt fallen.»
Sogar der Bündner Gesundheitsdirektor Peter Peyer ist für eine Lockerung zu haben: «Eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum könnte ein kleiner Preis sein, wenn dafür beispielsweise Grossveranstaltungen wieder möglich wären.»
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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