Sie helfen dabei, im Mittelmeer Schlepperboote zu lokalisieren, den Spargelanbau zu optimieren oder sich anbahnende Naturkatastrophen frühzeitig zu erkennen: Die Daten, die das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus der EU und der Europäischen Weltraumagentur ESA liefert, sind für Behörden und Forschende enorm wertvoll. Satelliten und Messstationen auf dem Boden vermessen jeden Meter des Planeten und liefern praktisch in Echtzeit Informationen über all das, was auf der Welt passiert.
Auch die Schweiz ist auf die Daten angewiesen, schliesslich hat der Bund keine eigenen Satelliten im All. Doch am Mittwoch hat der Bundesrat überraschend entschieden: Die Schweiz nimmt, vorerst bis 2027, nicht am Copernicus-Programm teil. Aus Spargründen, teilte die Landesregierung mit.
«Rückenschuss für die Raumfahrtindustrie»
Schweizer Unternehmen und Hochschulen stösst der Bundesrat damit vor den Kopf. Auch aus dem Bundeshaus wird Kritik laut: Denn erst vor zwei Jahren hat das Parlament der Landesregierung den klaren Auftrag erteilt, dem EU-Überwachungsprogramm beizutreten.
«Das ist ein Rückenschuss für die Raumfahrtindustrie in der Schweiz», sagt Stefan Brupbacher (56), Direktor von Swissmem, dem Verband der Schweizer Tech-Industrie. «Damit vergibt man sich massiv volkswirtschaftliches Potenzial.» Firmen, darunter auch KMUs, verlören so die Möglichkeit, Aufträge zu bekommen.
Wissenschaft könne Potenzial nicht nutzen
Michael Zemp (47) spricht ebenfalls von einer «verpassten Chance». Er ist Direktor des Welt-Gletscherbeobachtungsdiensts mit Sitz an der Universität Zürich, der heute schon mit Copernicus zusammenarbeitet – eine Ausnahme in der Schweiz. Möglich ist diese, weil es sich beim Beobachtungsdienst um eine internationale Organisation handelt. «Die Schweiz ist Weltklasse in Sachen Klimabeobachtung. Doch wir können das Potenzial nicht richtig nutzen, wenn wir bei Copernicus nicht dabei sind», sagt Zemp.
42 Millionen Franken hätte eine Teilnahme die Schweiz pro Jahr gekostet. Natürlich sei das viel Geld, sagt Zemp. «Doch man muss auch sehen, wie viel Geld durch Forschungs- und Dienstleistungsaufträge zurückfliessen würde.» Er spricht von einer «sinnvollen Investition in die Zukunft einer innovativen und nachhaltigen Schweiz».
Wertvoll wären die Copernicus-Daten auch für den Katastrophenschutz. Forscherin Jurgena Kamberaj (32) von der ETH Zürich nennt ein Beispiel: «Bei den Waldbränden in Bitsch VS im vergangenen Jahr hätte das Copernicus-Notfallmanagement innerhalb von Stunden aktiviert werden können, um umfassende Daten über das Ausmass des Feuers zu erhalten und die Reaktionsstrategien zu verbessern.» Als Nicht-Mitglied hat die Schweiz auf dieses System keinen Zugriff. Die meisten anderen Copernicus-Daten sind für alle gratis zugänglich.
Versuch, EU-Verhandlungen zu torpedieren?
Nicht zuletzt hat die Angelegenheit eine europapolitische Dimension. Swissmem-Direktor Brupbacher kritisiert, dass der Bundesrat mit dem Entscheid während der EU-Verhandlungen ein problematisches Signal in Richtung Union sende. Denn die Schweiz will zwar kein Geld zahlen, aber weiterhin auf die Copernicus-Daten zugreifen.
Das nährt den Vorwurf der Rosinenpickerei. Hinter vorgehaltener Hand wird die Vermutung geäussert, dass SVP-Umweltminister Albert Rösti (56) Copernicus bewusst abgeschossen haben könnte, um die EU-Verhandlungen zu torpedieren. Bundesratsnahe Quellen bestätigen, dass der SVPler die treibende Kraft war beim Entscheid. Sein Departement beteuert auf Nachfrage allerdings, dass allein das Loch in der Bundeskasse der Grund für den Bundesratsentscheid gewesen sei.
Ganz vom Tisch ist Copernicus für die Schweiz nicht. Der Bund wird eine Teilnahme ab 2028 prüfen. Forscherinnen und Firmen können nur hoffen, dass die politische Ausgangslage dann besser ist.