Der Bundesrat bläst zur Schlussoffensive. Noch gegen eine Million Menschen im Land müssten sich gegen das Coronavirus impfen lassen, sagte Gesundheitsminister Alain Berset (49) am Mittwoch. «Dann wären wir auf einem ähnlichen Niveau wie einige Nachbarländer.»
Noch im Mai hatte die Regierung eine Rückkehr zur Normalität in Aussicht gestellt, sobald «sämtliche impfwilligen erwachsenen Personen geimpft» seien. Die Rede war damals von einer Impfrate von 75 Prozent bei Risikopersonen und von 60 Prozent bei den übrigen Erwachsenen. Doch: Die deutlich ansteckendere Delta-Variante hat diese Berechnungen über den Haufen geworfen.
Um geltende Corona-Massnahmen aufheben zu können, geht der Bund im Zuge der nun angekündigten Impfoffensive von neuen Zahlen aus. So müsse die Impfrate bei den über 65-Jährigen von heute rund 87 Prozent auf 93 Prozent angehoben werden, bei den übrigen Erwachsenen von gut 66 auf 80 Prozent.
Fakt ist: Noch erreicht kein einziger Kanton die Ziele des Bundesrats. Fakt ist aber ebenfalls: Die Unterschiede sind teilweise enorm. Das gilt genauso für die einzelnen Altersklassen. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Je jünger die Bevölkerungsgruppe, desto höher ist der Anteil der noch Ungeimpften.
Über 65-Jährige: Ziel in Reichweite
Bei den älteren Jahrgängen fehlt nicht mehr viel, um die Ziele des Bundesrats zu erreichen. Nach den neusten Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) sind gut 89 Prozent der über 65-Jährigen mindestens einmal geimpft, 87 Prozent haben bereits zwei Impfungen erhalten.
Obenaus schwingt hier der Kanton Freiburg mit 91,1 Prozent doppelt Geimpften, gefolgt von den Kantonen Schaffhausen (90,3 Prozent) und Solothurn (89,6). Im Kanton Freiburg sind sogar schon 92,5 Prozent mindestens einmal geimpft.
Nachholbedarf besteht hingegen vor allem in der Inner- und Ostschweiz. So weist etwa der Kanton Obwalden mit 79,4 Prozent doppelt Geimpften über 65 Jahren klar den tiefsten Wert aus. Das sind 11,7 Prozentpunkte weniger als im Kanton Freiburg! Selbst mit den einmal Geimpften kommt Obwalden nur auf 82,8 Prozent. Nicht viel besser stehen Schwyz mit 80,3 Prozent doppelt Geimpften und Appenzell Innerrhoden (81,2) da.
16- bis 64-Jährige: Grosse Unterschiede
Und bei den Jüngeren? Hier klaffen Soll und Haben gar deutlich weiter auseinander. 72,1 Prozent sind mindestens einmal geimpft, 66,1 Prozent hatten schon zwei Piks. Auch hier sind grosse Unterschiede festzustellen: So haben im Kanton Waadt immerhin bereits 71,1 Prozent zwei Impfungen erhalten. Es folgen die Kantone Zürich mit knapp 71 Prozent und Basel-Stadt mit 70,6 Prozent. In der Deutschschweiz sind es vor allem die Regionen um grössere Städte, die eine höhere Impfquote aufweisen. Hinzu kommen die Romandie und das Tessin.
Die ländlichen Regionen in der Inner- und Ostschweiz hinken abermals hinterher. Auf dem letzten Platz landet erneut der Kanton Obwalden mit 52,4 Prozent doppelt Geimpften – satte 18,7 Prozentpunkte hinter der Waadt und 28 Prozent unter dem bundesrätlichen Ziel. Nur weniger höhere Impfquoten zeigen sich in Appenzell Innerrhoden (52,5 Prozent) und Glarus (55,9). Doch auch hier sind durchaus Fortschritte zu erkennen. Rechnet man die einmal Geimpften hinzu, wird Obwalden seine Impfquote in den kommenden Tagen und Wochen von 52,4 auf 63,4 Prozent steigern.
12- bis 15-Jährige: Noch viel Potenzial
Auch wenn der Bundesrat für diese Altersgruppe kein explizites Impfziel herausgegeben hat: Hier ist die Quote besonders gering. Wenig überraschend: Nicht nur besteht für die Jüngeren ein geringeres Risiko von schweren Krankheitsverläufen; sie können sich auch noch gar nicht so lange impfen lassen.
Und doch sind auch hier grosse Unterschiede zu beobachten. So sticht etwa der Kanton Zug heraus mit bereits 40,5 Prozent doppelt Geimpften. Einsame Spitze! Auf den Rängen 2 und 3 folgen Baselland (34,9) und Basel-Stadt (34,0).
Eines aber bleibt immer gleich: Den tiefsten Impfwert weist erneut Obwalden aus. Bisher haben sich 15,9 Prozent doppelt impfen lassen. Der Unterschied zum nahen Kanton Zug: sagenhafte 24,6 Prozentpunkte! Ebenfalls tiefe Werte zu beobachten sind in Glarus (16,6 Prozent) sowie Appenzell Innerrhoden und St. Gallen (je 18,5).
Aber auch bei den jüngeren Jahrgängen scheinen die Impfkampagnen nicht ohne Wirkung zu bleiben. Auffallendstes Beispiel ist der Kanton Neuenburg. Bis heute sind dort 26,2 Prozent doppelt geimpft. Mit den bereits einmal Geimpften aber wird diese Quote schon bald auf 40,4 Prozent emporschnellen.
Ansonsten aber schreitet die Impfkampagne derzeit nur langsam voran. Aktuell werden wöchentlich rund 160'000 Dosen verabreicht. Geht es in diesem Tempo weiter, dauert es noch Monate, bis die Impfziele des Bundesrats erreicht sind. (dba)