Alle wissen, dass der Strom knapp werden könnte, doch wer sich selbst einschränken soll, tut sich schwer. Sollen doch die anderen sparen. Fünf Verordnungen hat SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) zum Strommangel bereits in die Vernehmlassung gegeben. Sie sorgen für reichlich Diskussionsstoff.
Und schon ist eine weitere Strom-Verordnung in Vorbereitung. Diese zielt auf die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs ab. Der ÖV wird von der Kontingentierungsverordnung nämlich explizit ausgenommen, während andere Grossverbraucher, beispielsweise aus der Industrie, im Ernstfall einen Teil ihres Stromverbrauchs einsparen müssen.
Eine separate Verordnung soll nun regeln, wie der versorgungsrelevante ÖV – inklusive Güterverkehr – im Falle einer Strommangellage aufrechterhalten werden kann. Das Ziel: Das ÖV-Angebot bis zu einem gewissen Grad weiterführen und gleichzeitig sicherstellen, «dass das übergeordnete Einsparziel erreicht wird», heisst es im Aussprachepapier-Entwurf. Das zeigt die verwaltungsinterne Ämterkonsultation vom Herbst zu den Strom-Bewirtschaftungsmassnahmen, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz vorliegt.
Stirnrunzeln im Bazl
Doch diese ÖV-Extrawurst sorgt im Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) für Stirnrunzeln. Die alleinige Priorisierung des ÖV «wirkt etwas zufällig und erschliesst sich uns nicht», hält das Bazl in seiner Stellungnahme fest.
«Der Fahrplan leerer Regionalzüge kann sehr wohl ohne Schaden reduziert werden», schob das Amt nicht ganz ohne Sarkasmus hinterher. Denn: «Wie Corona gezeigt hat, können auch die Frequenzen des ÖV generell ohne spürbaren wirtschaftlichen und sozialen Schaden sehr wesentlich reduziert werden.» Etwa dann, wenn aus Stromspargründen auch Homeoffice wieder mehr zu Anwendung kommen würde.
Auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hinterfragt, weshalb es nur für den ÖV eine Branchenlösung geben soll. «Sollen nicht beispielsweise auch Fernmeldedienste ähnlich ein Branchenkonzept entwickeln, um die Dienstleistungen sicherzustellen?»
Arbeiten sind noch «im Gang»
Doch wieso soll es für den ÖV eine Extrawurst geben? Die Nachfrage beim federführenden Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) bringt nichts Erhellendes: «Die Arbeiten sind im Gang», erklärt ein BWL-Sprecher.
Die Verordnung stützt sich auf ein Bewirtschaftungsmodell, das die SBB zusammen mit dem Verband öffentlicher Verkehr (VöV) und dem Bundesamt für Verkehr erarbeitet haben. Licht ins Dunkel bringt aber auch das nicht, denn dieses Modell bleibt vorerst unter Verschluss.
Schon heute gelten für die ÖV-Branche freiwillige Massnahmen. So ist sie nicht verpflichtet, die Temperaturen in den Bahnen, Bus und Trams zu senken. Auch sind sie nicht gezwungen, auf Fassaden- und Dekorationsbeleuchtung zu verzichten.
Bei einer Verschärfung der Stromversorgungslage hingegen sollen einschneidendere Massnahmen zum Zug kommen. «Dabei geht es unter anderem um die Planung für eine mögliche Anpassung des Verkehrsangebots oder um die Priorisierung bestimmter Transporte, welche für die Landesversorgung wichtig sind», skizziert der VöV auf seiner Homepage die Stossrichtung.
Fahrplan ausdünnen
«Im schlimmsten Fall müssen wir den Fahrplan ausdünnen», verdeutlicht das VöV-Direktor Ueli Stückelberger gegenüber Blick. Gleichzeitig müsse man auch festlegen, in welchen Fällen die Stromzufuhr unumgänglich bleibt. «Die Weichenstellungen beispielsweise müssen zwingend mit Strom versorgt werden, damit sie funktionieren.»
Er erklärt auch, weshalb eine separate Strom-Verordnung für den ÖV Sinn macht. «Der öffentliche Verkehr ist ein Gesamtsystem, welches ineinandergreift und gut mitneinader spielen muss», so Stückelberger. Und vor allem: «Wir produzieren unseren Strom mit eigenen Kraftwerken weitgehend selbst.»