Weitere Abklärungen nötig
Rechtskommission schiebt Entscheid über Sammelklage erneut auf

Heute kann man in der Schweiz nur als Einzelner gegen eine Firma klagen. Der Bundesrat möchte dies ändern. Doch die Rechtskommission will erst im kommenden Jahr über Eintreten der Vorlage entscheiden. Konsumentenschützer sind erzürnt.
Publiziert: 04.07.2023 um 20:07 Uhr
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Der Abgasskandal bei VW hatte zig Sammelklagen zur Folge. In der Schweiz sind solche hingegen bis heute nicht möglich.
Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Die Befürchtung der Befürworter der Sammelklage sind eingetreten: Die Rechtskommission des Nationalrats (RK-N) hat das Thema am Montag in ihrer Sitzung weiter auf die Lange Bank geschoben. Vorerst zumindest.

Die Mitglieder der Kommission haben zwei weitere Prüfungsanträge verabschiedet. Damit wird die Verwaltung erneut damit beauftragt, vor der entscheidenden Debatte weitere Zusatzabklärungen zu machen.

Bis zum Eintretensentscheid ziehen weitere Monate ins Land

Es wird davon ausgegangen, dass diese Abklärungen noch einmal vier bis sechs Monate in Anspruch nehmen. Die RK-N dürfte also spätestens Anfang 2024 über Eintreten oder Nichteintreten der Vorlage abstimmen. Egal wie der Entscheid schliesslich ausfallen wird, es dürfte knapp werden.

«Reine Verzögerungstaktik», kritisiert der Konsumentenschutz am Dienstag in einer Medienmitteilung. Die nationalrätliche Rechtskommission befasse sich seit über eineinhalb Jahren mit der Vorlage. Dies, obwohl die beiden im Juni 2022 in Auftrag gegebenen ausführlichen Berichte nun vorlägen. «Die Kommissionsmitglieder müssen endlich ihre rechtsstaatliche Verantwortung wahrnehmen und auf die Vorlage eintreten», so der Konsumentenschutz.

Linke sehen dringenden Handlungsbedarf

Bereits vor einem Jahr hat die nationalrächtliche Rechtskommission beschlossen, noch nicht auf die Vorlage des Bundesrats zu einer Sammelklage einzutreten. Sehr zum Ärger der Linken.

Diese sehen nämlich dringenden Handlungsbedarf. Wolle eine Person heute den Rechtsweg beschreiten, bedeute das in den meisten Fällen einen grossen finanziellen und persönlichen Aufwand für die Klagenden, kritisieren sie.

Kommt hinzu: Auch wenn Tausende betroffen sind, kann man heute in der Schweiz nur als Einzelner gegen eine Firma klagen. Das zeigt etwa der VW-Diesel-Skandal. Oder aktuell der Fall von 200 pensionierte Angestellten des Kernkraftwerks Gösgen SO, die gegen dessen grössten Aktionär Alpiq kämpfen. Ihre Rentenzuschläge wurden um drei- bis vierstellige Beträge gekürzt – pro Monat.

Sammelkagen sind umstritten

Denn anders als in anderen europäischen Ländern müssen sie in der Schweiz alleine klagen, auch wenn mehrere Geschädigte betroffen sind. Viele würden darum auf die Durchsetzung ihres Rechts verzichten, sagt Sophie Michaud Gigon (48), Waadtländer Grünen-Nationalrätin und Chefin des Westschweizer Konsumentenschutzes, dem Blick.

Im Parlament ist die Einführung von Sammelklagen seit Jahren Thema – wenn auch ein sehr umstrittenes. Anstoss für die Änderung, die heute auf dem Traktandum stand, war ein Vorstoss von SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (64), die bis vergangenes Jahr die Stiftung für Konsumentenschutz präsidierte. Der Bundesrat stimmte ihr zu, dass Handlungsbedarf bestehe.

Ein Grossteil der Bürgerlichen sowie Wirtschaftsverbände hingegen wehren sich dagegen, dass ein Verband die Rechte von vielen Geschädigten gleichzeitig einklagen kann. Sie befürchten eine Amerikanisierung des schweizerischen Rechtssystems. Zudem bestehe ein «riesiges Missbrauchspotenzial». Und sie kritisieren, dass die Vorlage «nach bald über zehn Jahren völlig überholt sei». (oco)

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