Der Diesel-Skandal kommt den deutschen Autobauer Volkswagen teuer zu stehen. Weltweit haben Verbände im Namen von betroffenen Autobesitzern Sammelklagen eingereicht, nachdem 2015 bekannt geworden war, dass VW Abgaswerte systematisch manipuliert hatte. In Deutschland beispielsweise bekamen so über 240'000 Geschädigte Schadenersatz in der Höhe von jeweils einigen Tausend Euro. In Grossbritannien musste VW 91'000 Kunden eine Entschädigung zahlen.
Die 175'000 betroffenen VW-Diesel-Besitzer in der Schweiz hingegen gehen leer aus. Grund dafür ist, dass es in der Schweiz keine Sammelklagen gibt. Eine Schadenersatzklage des Konsumentenschutzes im Namen von rund 6000 Betroffenen wurde darum abgeschmettert.
«Historischer Entscheid für Konsumenten»
Am Montag nun diskutiert die Rechtskommission des Nationalrats, ob die Lücke im Schweizer Rechtssystem gestopft werden soll. «Es geht um einen historischen Entscheid für Konsumenten und KMU», sagt Sophie Michaud Gigon (48), Waadtländer Grünen-Nationalrätin und Chefin des Westschweizer Konsumentenschutzes.
Will eine Person heute den Rechtsweg beschreiten, bedeute das in den meisten Fällen einen grossen finanziellen und persönlichen Aufwand. «Und: Sie muss es alleine tun, auch wenn mehrere betroffen sind.» Darum würden viele auf die Durchsetzung ihres Rechts verzichten. KMU seien ebenfalls betroffen, betont Michaud Gigon. «Auch sie könnten sich künftig zusammenschliessen, um ihre Rechte geltend zu machen – etwa bei Kartellabsprachen.»
Wirtschaft wehrt sich
Im Parlament ist die Ermöglichung von Sammelklagen seit Jahren Thema – ein sehr umstrittenes. Anstoss für die Änderung, die nun zur Diskussion steht, war ein Vorstoss von SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (64), die bis vergangenes Jahr die Stiftung für Konsumentenschutz präsidierte. Der Bundesrat stimmte ihr zu, dass Handlungsbedarf besteht.
Die Wirtschaftsverbände hingegen wehren sich dagegen, dass ein Verband die Rechte von vielen Geschädigten gleichzeitig einklagen kann. Es bestehe ein «riesiges Missbrauchspotenzial», so eines ihrer Argumente.
Parlament hat keine Eile
Obwohl Stände- und Nationalrat sich vor knapp zehn Jahren für eine Gesetzesänderung aussprachen, ist ungewiss, ob der Vorschlag durchkommt, der nun auf dem Tisch liegt. Die Rechtskommission des Nationalrats hatte sich vergangenes Jahr schon einmal mit dem Thema befasst – dann aber weitere Abklärungen in Auftrag gegeben, bevor man einen Entscheid treffen wollte.
Eine Verzögerungstaktik, kritisierten die Befürworter. Sie hegen die Befürchtung, dass es den Bürgerlichen am Montag gelingt, das Thema erneut auf die lange Bank zu schieben.