Weil es die Umgehung von Sanktionen duldete
Parmelins Seco in der Kritik

Parteichefs kritisieren das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), da dieses einen russischen Oligarchen bei der Umgehung von Sanktionen gewähren liess. Nun wird eine rechtliche Überprüfung gefordert.
Publiziert: 22.05.2022 um 15:36 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2022 um 13:52 Uhr
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Andrei Melnichenko hat seine Firma seiner Frau überschrieben.
Foto: Keystone

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) von Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) schaut zu, wie der russische Oligarch Andrei Melnitschenko (50) die Sanktionen gegen ihn aushebelt: Er hatte einfach seine Firme Eurochem seiner Frau überschrieben, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete.

Der Mitte-Parteichef Gerhard Pfister (59) twitterte als Reaktion auf den Artikel, wenn das Seco keine Idee habe, wie es diese simpelste aller Umgehungen von Sanktionen verhindern will, sie nicht einmal öffentlich mache, wäre es ehrlicher, zu sagen: «Das Seco und der Chef Parmelin wollen keine Sanktionen.»

«Zu leicht gemacht»

In der «SonntagsZeitung» äussern nun auch SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (36) und FDP-Chef Thierry Burkart (46) Kritik am Staatssekretariat. Auch für sie geht es nicht an, dass das Seco zusieht, dass der Russe die Zuger Eurochem an seine Ehefrau weiterreicht, bevor er sanktioniert worden ist. Für die beiden Parteichefs sieht die Überschreibung stark nach Umgehung aus.

Burkart zeigt sich «sehr erstaunt» darüber, dass dies das Seco akzeptiert. Er hätte erwartet, dass der Sachverhalt genauer abgeklärt und weitere Unterlagen eingefordert worden wären. «Das Seco hat es sich zu leicht gemacht», so der Freisinnige im Artikel.

«Faustdicke Lügen»

Für den FDP-Chef ist Wirtschaftsminister Parmelin dazu verpflichtet, dass die Sanktionen um- und durchgesetzt werden, dass also «das Seco diese Aufgabe ernst nimmt».

SP-Chef Wermuth spricht gar von «faustdicken Lücken im Schweizer System». Die schleppende und unmotivierte Umsetzung der Sanktionen durch das Seco sei eine regelrechte Einladung, sich allerlei kreative Umgehungsmöglichkeiten einfallen zu lassen.

Das Seco unter der Leitung der scheidenden Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch (60) steht nicht nur wegen der mangelnden Durchsetzung der Sanktionen in der Kritik. Schon während der Corona-Pandemie machte das Staatssekretariat im Departement von Guy Parmelin wegen Untätigkeit Schlagzeilen.

Auch Parmelin im Visier

Dass das Seco es duldet, wenn das Gesetz ausgehebelt wird, fällt nun auf den obersten Chef, Bundesrat Guy Parmelin, zurück. Es dürfte seinem Ansehen auch wenig helfen, dass sich sein Staatssekretariat verteidigt: «Von einer Umgehung der Sanktionen kann keine Rede sein.» Die Sanktionen gegen den Oligarchen würden umgesetzt.

Oligarch Melnitschenko, der einen Wohnsitz in St. Moritz GR hat, war im März von der EU und dann von der Schweiz auf die Sanktionsliste genommen worden, weil er «zum einflussreichsten Zirkel russischer Geschäftsmänner mit engen Beziehungen zu Putin» gehöre. Kurz bevor die Sanktionierung in Kraft trat, hatte der Russe öffentlich erklärt, er habe sich aus dem Düngemittelkonzern Eurochem zurückgezogen. Das Seco wusste jedoch, der Russe hat seine Anteile lediglich an seine Frau Alexandra Melnitschenko übertragen.

Rechtliche Überprüfung

Nationalrätin Manuela Weichelt (54) glaubt nicht, dass dem Seco die Hände gebunden sind, wie es behauptet. Die Grüne verweist auf die Bestimmungen für politisch exponierte Personen (PEP). Im Zuge des Arabischen Frühlings habe die Finanzmarktaufsicht die Vorgaben auch auf Angehörige von Diktatoren angewandt, sagt Weichelt. Weil es damals funktionierte, erwartet die Nationalrätin auch heute, «dass das Seco die Regeln wie unsere Finanzmarktaufsicht anwendet, wenn es um die familiären Verhältnisse geht».

Weichelt fordert eine rechtliche Überprüfung der Umgehung – und damit auch seiner Duldung durchs Seco. (pt)

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